
Ein bemerkenswertes Urteil wurde am Dienstagabend in Erfurt gefällt. Das Sportgericht des Thüringer Fußball-Verbandes kippte einen Beschluss, den der TVF-Vorstand am 19. April für eine Änderung des Modus des Thüringen-Pokals getroffen hatte. Der damalige Beschluss lautete wie folgt:
„Das Finalspiel im Landespokal soll am 29. Mai im Rahmen des Finaltages der Amateure ausgetragen werden. Dafür werden die einzigen aktuell im Trainingsbetrieb befindlichen Regionalliga-Mannschaften, FC Carl Zeiss Jena und ZFC Meuselwitz, nominiert. Die 30 anderen Mannschaften der Dritten Hauptrunde des Thüringen-Pokals scheiden aus dem Wettbewerb aus und erhalten aus dem Solidartopf einen Ausgleichsbetrag von 2.000 Euro brutto. Kann das Finale aufgrund der Covid-19 Pandemie nicht ausgetragen werden, wird der Vertreter des TFV zwischen den beiden geplanten Finalisten und höchstklassigsten Vereinen des TFV unter notarieller Aufsicht ausgelost. Wenn aus unvorhersehbaren Gründen kein Teilnehmer an der ersten DFB-Pokalrunde gemeldet werden, kann kein Solidartopf verteilt werden.“
Gegen diese Entscheidung hatten die Verantwortlichen des FC Rot-Weiß Erfurt und des FC An der Fahner Höh, die unisono in der Oberliga Nordost-Süd um Punkte kämpfen, Beschwerde eingelegt. Diese wurde unter der Leitung von Bernd Kruse, dem Vorsitzenden des Gremiums, mündlich verhandelt. „Im Ergebnis der Verhandlung verkündete Kruse nach eineinhalb Stunden Verhandlung, die durch eine 15-minütige Lüftungspause unterbrochen wurde, das Urteil“, hieß es auf der Internet-Seite des TFV.
Kruse sagte wörtlich:
„Erstens: Es wird unter Abweisung der Anträge im Übrigen festgestellt, dass der Beschluss des Vorstandes des Thüringer Fußball-Verbandes vom 19. April nichtig ist und gegenüber den Antragsstellern keine Wirkung entfaltet und aufgrund seiner Nichtigkeit auch auf alle von diesem Beschluss Betroffene keine Wirkung entfaltet, unabhängig davon, ob von ihnen Rechtsmittel eingelegt worden sind oder nicht.
Zweitens: Der Betroffene (TFV – H.G.) wird beauftragt, eine andere und die zur Sache mitgeteilten Rechtsaufassungen des Sportgerichts zur Fortführung beziehungsweise für den Fall der Notwendigkeit zur Beendigung des Wettbewerbes um den Thüringen-Pokal der Männer der Spielzeit 2020/2021 zu berücksichtigen und zur Feststellung eines Vertreters des Thüringer Fußball-Verbandes am DFB-Vereinspokal der Männer für die Spielzeit 2021/2022 unter Wahrung sämtlicher einzuhaltender Fristen zu treffen, wobei dieser Vertreter aus dem noch im Wettbewerb befindlichen 32 Mannschaften zu ermitteln ist.
Drittens: Der Betroffene hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Gebühren sind den Antragsstellern zu erstatten.“
Ebenfalls auf der Internet-Seite des TFV begründete der Sportgerichtsvorsitzende seine Entscheidung wie folgt: „Im Gegensatz zur letzten Saison gibt es keine Rechtsgrundlage für den Vorstandsbeschluss, weil in Paragraph 13 der Spielordnung nur für das Spieljahr 2019/2020 eine solche Rechtsgrundlage gegeben ist. Für das Sportgericht liegt ferner ein Verstoß des Gleichbehandlungsgrundsatzes und des Fair Play vor. Eine ausführliche Begründung erfolgt im schriftlichen Urteil."
Dieses wollen die Verbandsverantwortlichen abwarten, sagte TFV-Präsident Udo Penßler Beyer, „um dann eine Entscheidung über eine mögliche Berufung oder nicht zu treffen“. Die Verantwortlichen von Rot-Weiß Erfurt und vom FC An der Fahner Höhe, die bei der Verhandlung anwesend waren, nahmen das Urteil an.
Franz Gerber, der einst auch Stürmer, Sportlicher Leiter sowie Trainer beim FC St. Pauli war und nun seit dem Sommer 2020 Geschäftsführer bei Rot-Weiß Erfurt ist, hatte die Beschwerde auf der vereinseigenen Internet-Seite wie folgt begründet: „Die Entscheidung, die der Thüringer Fußball-Verband getroffen hat, zwei Vereine zu bestimmen, die das Finale spielen, ist weder gerecht noch im Sinne des Fußballs. Wir haben uns dazu entschieden, Rechtsmittel gegen den Beschluss einzulegen. Die Chance auf Teilnahme am Thüringen-Pokal wollen wir insbesondere für die treuen Fans und Anhänger des FC Rot-Weiß Erfurt wahrnehmen."
Nach dem nun gefällten Urteil hieß es am Dienstagabend auf dem Internet-Auftritt der Erfurter, die 2018 aus der Dritten Liga und 2020 aus der Regionalliga Nordost abgestiegen waren: „Der Beschluss des TFV-Präsidiums vom 19. April zum Thüringen-Pokal, gegen den sowohl der FC Rot-Weiß Erfurt als auch der FC An der Fahner Höhe Beschwerde eingelegt hatten, wurde am heutigen Dienstag, den 4. Mai, aufgehoben. Laut dem Sportgericht des Thüringer Fußball-Verbandes entspricht der Beschluss nicht dem Gleichheits- und Fairplay-Gedanken. Der Vorstand des TFV wurde dazu aufgefordert, einen neuen Modus zu finden, um den Teilnehmer der ersten Runde des DFB-Pokals unter Berücksichtigung aller 32 übrigen Teilnehmer festzustellen. Der Verband prüft noch, ob er das Urteil annimmt, während der FC Rot-Weiß Erfurt und der FC An der Fahner Höhe das Urteil bereits angenommen haben. Der FC Rot-Weiß Erfurt freut sich, dass die Beschwerde beim Sportgericht Erfolg hatte.“
Auf der facebook-Seite des FC An der Fahner Höh hieß es ebenfalls am Dienstagabend: „Das Sportgericht hat den Pokalbeschluss des TFV vom 19. April am heutigen Tag aufgehoben. Die Argumentationsgrundlage unserer Beschwerde, hinsichtlich des Gleichheits- und Fairplay-Gedanken, fand vor Gericht Recht. Der Vorstand des TFV ist nun aufgefordert, einen neuen Modus zur Ermittlung eines DFB-Teilnehmers aus allen 32 Teilnehmern zu finden. Der TFV prüft, ob er das Urteil annimmt. Wir und der FC Rot-Weiß Erfurt haben das Urteil bereits angenommen.“