
Die wenigen Journalisten und Offiziellen, die am Sonnabend im Volkspark-Stadion weilen durften, bekamen ebenso wie die Zuschauer an den TV-Geräten ein packendes und von der Spannung lebendes Zweitliga-Topspiel zu sehen. War das Duell zwischen dem Hamburger SV und der SpVgg Greuther Fürth in der ersten Halbzeit vor allem von der Taktik geprägt, so erspielten sich die „Rothosen“ im zweiten Durchgang auch mehrere gute Torchancen. Am Ende lagen die Hausherren in allen wichtigen Statistiken (Torschüsse, Ballbesitz, Zweikämpfe, gespielte Pässe, Passquote) vorne – trotzdem mussten sie sich, nach zuvor vier Heimsiegen in Folge, mit einem 0:0-Unentschieden begnügen.
Erstmals in diesem Jahr war Aaron Hunt von HSV-Trainer Daniel Thioune in der Start-Elf aufgeboten worden. An der ersten Offensivszene war der 34-Jährige auch gleich beteiligt, als er einen Freistoß von links hoch in die Mitte schlug, wo ihn mehrere Spieler beider Teams verpassten. So kam der Ball zu Stephan Ambrosius, auch abzog, aber zu hoch zielte (5. Minute). Zwei Zeigerumdrehungen später war Hunt bei der nächsten guten Aktion erneut dabei, als er das Spielgerät nach dessen Eroberung gut nach vorne trieb und Sonny Kittel bediente, der aus spitzem Winkel nicht selbst schoss, sondern es mit einem Querpass versuchte, den Anton Stach klärte. Die Hamburger machten das Spiel und schnupperten in der 18. Minute schon etwas vehementer am 1:0, als sie sich relativ ungehindert bis in den Fürther Strafraum hineinkombinieren konnten. Letztlich war es dann abermals Hunt, der nach einer Ablage von Simon Terodde aus 15 Metern abzog – ein Verteidiger fälschte den Ball aber ab, ehe ihn Gäste-Keeper Sascha Burchert unter sich begrub. Erstmals das Tornetz zum Zappeln brachte dann David Kinsombi, der Hunts Rechtsflanke allerdings auf das Tornetz köpfte (19.).
In der Folge hatten die Gäste aus Franken ihre beste Phase: Sie standen hoch und störten die Hamburger schon früh in deren Spielaufbau. Zwar konnten die Fürther dadurch nicht selbst torgefährlich werden, doch ließen sie bis zur 36. Minute auch keinen aussichtsreichen Angriff der Heim-Elf mehr zu. Dies lag allerdings auch daran, dass Schiedsrichter Sascha Stegemann (vom SV Niederkassel), der sicher schon bessere Tage hatte, dem Fürther Stach einen Freistoß „schenkte“, nachdem er in einem leichtsinnigen Dribbling gegen Terodde den Ball verloren hatte. Dem ersten Torschuss der Spielvereinigung, den Paul Seguin von halbrechts aus klar über das lange Eck jagte (34.), folgte dann die besagte 36. Minute, in der Kittel von links aus den Ball klug zurücklegte zu Hunt, der ihn gegen Maximilian Bauer auch perfekt mitnahm und von halblinks aus flach das lange Eck anvisierte, aber an Stach hängen blieb. In der Schlussphase der ersten Halbzeit wurde erst ein Terodde-Versuch von der vielbeinigen Gäste-Abwehr abgeblockt (40.), ehe Kinsombi im eigenen Strafraum einen passablen Fürther Versuch weggrätschte (42.) – dann bat Stegemann die Teams zum Pausen-Tee.
Nach dem Seitenwechsel intensivierten die Hamburger ihre Offensivbemühungen. In der 53. Minute ergaben sich auch zwei gute Gelegenheiten. Zunächst wurde ein Schuss, den Kittel selbst von halblinks aus abgegeben hatte, noch abgeblockt. Nur 35 Sekunden später setzte sich Kittel links zum wiederholten Male gut durch und spielte klug zurück zu Tim Leibold, dessen Versuch hauchdünn am kurzen Pfosten vorbei zischte (53.). Dann spielte Stegemann den Franken übel mit: Nachdem er Sebastian Ernst in der 50. Minute nach dessen Duell mit Moritz Heyer eine überzogene Gelbe Karte gezeigt hatte, schickte er ihn sieben Zeigerumdrehungen später mit Gelb-Rot vom Platz. Direkt vor den Trainerbänken hatte sich Ernst zunächst im Duell mit Bakary Jatta behauptet und war dann im Kampf um den Ball dem dazukommenden Hunt versehentlich auf den Fuß gestiegen – was keine Absicht und auch kein Foul war. Warum diese Fehlentscheidung weder vom Vierten Offiziellen Florian Lechner (vom Poeler SV), der gute Sicht auf die Szene hatte, noch aus dem Kölner Keller von Video-Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus (SV Bad Lauterberg) und ihrem Assistenten Christian Leicher (SV Neuhausen) korrigiert wurde, ist fraglich. Dieser Umstand war aber nach dem Zustandekommen des Elfmeters, der Holstein Kiel am Freitagabend den 1:0-Sieg gegen die Kickers Würzburg beschert hatte (SportNord berichtete, siehe unten stehenden Link), erneut keine Werbung für den Video-Schiedsrichter ...
Wie aber schon so oft gesehen, schien auch diese Ungerechtigkeit und die mehr als halbstündige Unterzahl den Fürthern Flügel zu verleihen. So schnupperten sie zwei Zeigerumdrehungen nach dem Platzverweis am Führungstreffer, als Håvard Nielsen von links kommend Heyer austanzte und mit rechts satt abzog, Gideon Jung den Schuss aber so abfälschte, dass er über die Latte ging. In der Folge waren es dann jedoch wieder die Hamburger, die sich ihren Gegner „zurechtlegen“ und in Front gehen wollten. Die bis dahin größte Chance gab es in der 63. Minute, als Kittel nach Hunts guter, direkter Weiterleitung von links am herausstürzenden Burchert vorbei zurücklegte zu Terodde, der aus sechs Metern direkt abdrückte – alle, die mit dem HSV sympathisierten, hatten den Torschrei schon auf den Lippen. Doch sie hatten ihre Rechnung ohne den Fürther Bauer gemacht, der den Ball in seine Hacke bekam und somit eher unfreiwillig zum Retter wurde, ehe Julian Green das Spielgerät aus der Gefahrenzone schlug. Kurz darauf zischte Hunts Versuch knapp links vorbei (64.). Die Fürther schwammen und versuchten fortan, bei jeder sich bietenden Möglichkeit Zeit von der Uhr zu nehmen, weshalb Terodde mehrmals den Ball für Burchert „holte“.
Was aus dem Spiel heraus nicht gelingen wollte, hätte dann bei einer Standardsituation klappen können: Ein Eckstoß, den Heyer rechts gegen Green herausgeholt und Hunt in die Mitte geschlagen hatte, wurde verlängert zu Ambrosius, der gegen Seguin sowie Gian-Luca Itter abzog, aber hauchdünn rechts vorbei zielte (68.). Damit versäumte es der gebürtige Hamburger, im 19. Zweitliga-Spiel sein erstes Profi-Tor zu schießen und sich für eine gute Leistung – der 22-Jährige verlor kaum einen Zweikampf – zu belohnen. Auch Terodde fehlte kurz darauf das nötige Zielwasser, als er einen hohen Kittel-Pass links zunächst schön mit seiner Brust annahm, dann aber vor dem heraneilenden Nielsen in die dritte Etage jagte (71.). In der 73. Minute brandeten dann Jubel und die Tor-Hymne des HSV im Volkspark auf: Kittel hatte links viel Platz, schoss aber nicht selbst, sondern lupfte den Ball in hohem Bogen nach rechts zum frisch eingewechselten Khaled Narey, der ihn an Burchert vorbei gen langes Gehäuse bugsierte. Doch letztlich war es Kinsombi, der das Spielgerät über die Torlinie drückte, weshalb der Treffer nach Intervention aus Köln wegen einer Abseitsstellung keine Anerkennung fand. Dies war richtig, da das eine Bein von Kinsombis knapp in der „verbotenen Zone“ stand. Fraglich – aber letztlich auch unerheblich – ist, ob der Ball auch ohne Kinsombis Zutun im Netz gelandet wäre.
Auch in der Schlussphase hätten die Hanseaten die Partie noch für sich entscheiden können. Doch obwohl Terodde nach Kittels Linksflanke relativ frei zum Kopfball kam, setzte er diesen deutlich am kurzen Pfosten vorbei (79.). Drei Zeigerumdrehungen später blockte Gäste-Akteur David Raum einen Leibold-Schuss zur Ecke ab; in deren Folge gab Narey aus 22 Metern einen wuchtigen Schuss ab, der aber mittig genau auf Burchert kam, der die Kugel deshalb im Nachfassen unschädlich machte. Noch besser reagierte Burchert, als Narey, der 2018 nach zwei Jahren beim „Kleeblatt“ an die Elbe gewechselt war, nach einer starken Einzelaktion und einer Linksflanke von Leibold das rechte Eck anvisierte (87.). Ein Großteil der dreiminütigen Nachspielzeit verstrich mit einem von den Gästen kurz ausgeführten Eckstoß und einem darauffolgenden Freistoß. Diesen holte übrigens Green heraus, der in der Saison 2014/2015 beim HSV als Leihgabe des FC Bayern München noch für Negativschlagzeilen gesorgt hatte, indem er sich weigerte, bei der Reserve in der Regionalliga Spielpraxis zu sammeln. Nach Greens Auswechslung gab es in der 93. Minute noch einen Abschluss für die Hamburger, bei dem Leibold einen Abpraller mit vollem Risiko direkt nahm und klar rechts vorbei setzte.
Damit war das erste torlose HSV-Heimspiel seit dem 24. Mai 2020 besiegelt. Blieb es seinerzeit für die „Rothosen“ beim Sieben-Punkte-Rückstand auf den damaligen Spitzenreiter und späteren Zweitliga-Meister DSC Arminia Bielefeld, so wahrten sie jetzt ihren drei Zähler betragenden Vorsprung auf die Fürther und eroberten die Tabellenführung von den nun punktgleichen Kielern zurück.