
„Achtung, ein Linksfuß!“ Von der Trainerbank des TuS Osdorf kam die Warnung, als Marcel Lück von rechts nach innen zog. Kurz darauf gab der Linksaußen von Altona 93 aus spitzem Winkel einen Torschuss ab – natürlich mit links. TuS-Torwart Tjark Grundmann wirkte, der besagten Warnung zum Trotz, überrascht und konnte den Ball nicht mehr richtig abwehren, weshalb er in das Netz sprang. Kurz darauf fiel sogar das 0:3, doch die Osdorfer bliesen noch einmal zur Aufholjagd. Tatsächlich kam der Oberligist auf 2:3 heran, doch in die Verlängerung zwingen konnte er die Altonaer nicht mehr: Der Regionalligist nahm die Hürde Blomkamp und buchte mit einem 3:2-Sieg das letzte Viertelfinal-Ticket im Lotto-Pokal.
Auf dem Kunstrasenplatz am Blomkamp übernahmen die Altonaer vor den Augen von 1.120 Zuschauern in der Anfangsphase gleich das Kommando. In der neunten Minute kamen sie auch zu ihrer ersten Chance, als Bujar Sejdija einen Abpraller flach auf das Gehäuse brachte, Grundmann aber parierte. Die Hausherren standen zunächst tief in der eigenen Spielfeldhälfte, weshalb ihr Trainer Philipp Obloch nach dem Abpfiff zugab: „Wir haben am Anfang zu verhalten agiert und neben Respekt auch Angst davor gehabt, Fehler zu machen.“ Immerhin zu einer guten Gelegenheit kam aber auch die Heim-Elf, als Bennet Krause mit einem Steilpass Samuel Amoah auf die Reise schickte, der dann aber an einer Parade von 93-Keeper Nathanael Obeng Sallah verzweifelte (16.). Fünf Zeigerumdrehungen später jubelten stattdessen die Gäste: Weil die TuS-Abwehr eine Rechtsflanke nicht richtig klärte, sagte Kubilay Büyükdemir „Danke“ und traf – 0:1. „Ein richtig ärgerliches Gegentor“, schimpfte der Osdorfer Liga-Manager Cemil Yavas.
Zudem haderten die Spieler und Verantwortlichen des Oberligisten wiederholt mit Schiedsrichter Florian Pötter (vom FC Voran Ohe), der vor allem in der ersten Halbzeit eine sehr großzügige Linie hatte und viel laufen ließ. Als der mit Regionalliga-Erfahrung ausgestattete Referee ein Foul von Lück direkt vor der Osdorfer Bank nur mit einem Freistoß, nicht aber mit einer Gelben Karte ahndete, ärgerte sich TuS-Scout Ediz Aptoula darüber so sehr, dass er die Rote Karte sah (26.). Anschließend wurde wieder Fußball gespielt. Grundmann, der in der Saison 2017/2018 noch für die Altonaer aktiv war, verhinderte gegen seinen Ex-Klub in Person von Ridel Varela Monteiro, der nach Lücks Vorarbeit abzog, das drohende 0:2 (35.). Auf der Gegenseite hätte allerdings auch noch vor der Pause der Ausgleich fallen können, doch als Sallah einen weiteren Amoah-Schuss suboptimal nach vorne abwehrte, konnte davon kein Osdorfer profitieren (43.).
Nach dem Seitenwechsel schien das Pendel endgültig zugunsten des klassenhöheren Teams auszuschlagen, als Lück wie eingangs beschrieben den Vorsprung verdoppelte (53.). Der schnelle TuS-Anschlusstreffer wäre möglich gewesen, doch als der aufgerückte Innenverteidiger Tim Jobmann von halblinks aus vollem Lauf abzog, warf sich der Altonaer Dallas Sikes Aminzadeh in letzter Sekunde noch in den Schuss und lenkte ihn zur Ecke (56.). Kurz darauf wechselte Obloch dann mit Jeremy Wachter seinen besten Stürmer ein. Den nächsten Torschuss der Heim-Elf gab aber Daniel Tönges ab, der nach einem von links kommenden Eckstoß von halbrechts aus das lange Eck anvisierte, aber am nun gut reagierenden Sallah scheiterte (61.). Die Gäste antworteten mit einem Konter, bei dem Niklas Siebert von halblinks aus knapp am langen Pfosten vorbei zielte (64.).
In der 67. Minute war die Partie dann für viele der Anwesenden entschieden: TuS-Kapitän Bennet Krause verlor im zentralen Mittelfeld erst den Ball und dann einen Zweikampf gegen Sejdija, woraufhin die Altonaer über ihre linke Seite schnell umschalteten: Der eingewechselte Eudel Silva Monteiro legte von links klug zurück und Ole Wohlers schoss aus der Drehung humorlos zum 0:3 in das kurze Eck ein. Die Osdorfer dachten aber nicht daran, sich damit geschlagen zu geben: Während des Torjubels der Gäste tröstete der eingewechselte Papa Mousse Ndiaye den unglücklichen Bennet Krause, und dann blies die Heim-Elf zur Aufholjagd. Tönges ließ links bei einem energischen Antritt mehrere Altonaer stehen und fand dann mit einem Traum-Schnittstellenpass Josep Dilber, der den schnell kommenden Ball direkt nahm und via linkem Innenpfosten zum 1:3 versenkte (71.).
In ihrer Euphorie wären die Osdorfer beinahe in einen Konter gelaufen, als sie an der Mittellinie die Kugel an Lück verloren, der alleine auf Grundmann zulief, sich dann aber zu weit nach links abdrängen ließ (73.). In einer hitzigen Schlussphase waren die Osdorfer den Altonaern auch spielerisch ebenbürtig und immer wieder flogen gefährliche Freistöße, zumeist getreten von Mehmet Eren, in den 93-Strafraum. So auch in der 81. Minute, als „Memo“ Eren den Ball von halblinks fast von der Mittellinie mit viel Effet vor das Tor schlug, wo er aus einem Spielerpulk, bestehend aus den Osdorfern Bennet Krause und Wachter sowie 93-Verteidiger Boris Tomiak, so verlängert wurde, dass er flach links im Netz zappelte – vermutlich war es ein Eigentor von Tomiak.
Nun brannte der Blomkamp und in der 87. Minute lag sogar das 3:3 in der Luft, als die Altonaer einen von der rechten Seite kommenden Eckstoß der Osdorfer nicht richtig klärten und der eingewechselte Prince Hüttner von halbrechts aus fünf Metern abzog, aber zwei im Wege stehende Gäste-Akteure den Ausgleich verhinderten und auf Kosten einer erneuten Ecke retteten. In der fünfminütigen Nachspielzeit gab Tim Jobmann noch einen Kopfball ab, doch hatte Pötter zuvor bereits abgepfiffen, da er ein Stürmerfoul der Osdorfer gesehen hatte (92.). In der letzten Minute der Extra-Spielzeit legte Hüttner einen Ball ab für Hüttner, dessen 22-Meter-Schuss aber so harmlos geriet, dass Sallah ihn mühelos aufnehmen konnte. Unmittelbar danach ertönte der Abpfiff und 93-Präsident Dirk Barthel kletterte über die Bande, um den Seinen zum Viertelfinal-Einzug zu gratulieren.
Algan echauffierte sich anschließend über die seiner Meinung nach „viel zu lange und unerklärliche Nachspielzeit“, während der er „natürlich die Befürchtung hatte, dass noch einmal ein langer Ball durchrutschen und das 3:3 fallen könnte“. Davon abgesehen habe Pötter aber „sehr gut gepfiffen“, lobte Algan den Referee. Auch mit seinen Schützlingen war der 93-Coach zufrieden: „Wir wussten, dass es schwer werden würde in Osdorf – es war sehr emotional, dann stand es plötzlich nur noch 3:2. Aber wir sind weitergekommen, nur das zählt.“ Obloch analysierte: „Nach dem Gegentor zum 0:1 haben wir unseren Respekt abgelegt und gemerkt, dass wir, wenn wir Druck ausüben, zu Ballgewinnen kommen und Fehler beim Gegner provozieren können – schade, dass es am Ende nicht gereicht hat.“
Die Osdorfer verabschiedeten sich aber erhobenen Hauptes aus dem Pokal-Wettbewerb und das so, wie in der vergangenen Saison (0:3 im Halbfinale gegen den FC Eintracht Norderstedt), gegen einen Regionalligisten. Diesem stellte Felix Spranger allerdings kein gutes Zeugnis aus: „Wenn die Altonaer in der Regionalliga so spielen, wie heute gegen uns, dürften sie abgeschossen werden“, vermutete der TuS-Verteidiger. Spranger Lügen strafen könnten Algans Schützlinge, wenn sie am Sonnabend, 22. Februar beim TSV Havelse gastieren. Oblochs Team gastiert am Sonntag, 23. Februar beim Niendorfer TSV, dessen Co-Trainer Matthias Jobmann am Mittwochabend also wohl nicht nur unter den Zuschauern weilte, weil er der Onkel von Tim Jobmann ist ...