Aktuell: Gedanken eines Kreisklassen-Trainers


Nachdem SportNord in der vergangenen Woche in der Stellungnahme „Gedanken eines Schiedsrichters“ die Gedanken und Gefühle eines Kreisklassen-Schiedsrichters veröffentlicht hatte (siehe unten stehenden Link), meldete sich nun Gernot Hartmann, Trainer des Norderstedter SV (zurzeit mit 19 Punkten aus 13 Partien Tabellen-Neunter der Kreisklasse 6) zu Wort und schilderte einmal seine Sicht der Dinge ...

„Hallo,

ich bin seit August 2010 Trainer des Norderstedter SV. Um eines gleich vorweg zu nehmen: Ich begrüße den Beitrag des Schiedsrichters und stimme ihm sogar in 90 Prozent von dem, was er schreibt, zu. Auch schätze ich die Schiedsrichter, die es sich jedes Wochenende antun, in der Kreisklasse zu pfeifen, und bin froh, dass es diese Schiedsrichter gibt. Wir beim Norderstedter SV, also Liga-Obmann Thorsten Murau, die Mannschaft und ich als Trainer, haben ganz klar beschlossen, dass wir zuhause mit Gespann spielen. Warum? Ganz einfach: Es ist ruhiger, Abseits wird besser gesehen und bei einigen Entscheidungen sehen sechs Augen einfach mehr als zwei.

Doch ich muss auch einmal sagen: Meine Herren Schiedsrichter, auch ihr habt teilweise eine Mitschuld an verbalen Entgleisungen und rüden Spielen. Jetzt kommt wohl wieder ein ‚Wir? Nein, niemals!‘ – aber, warum ist es dann möglich, dass Schiedsrichter (das habe ich selbst erlebt) zu einem Trainer oder Spieler sagen ‚Halt die Fresse sonst gehst du‘? Oder auch der beste Spruch, den ich diesbezüglich gehört habe: ‚Solange ich pfeife, gewinnt ihr bei mir nicht!‘ ...

Natürlich müssen sich Trainer und Spieler ein wenig zurück nehmen, da sie eigentlich ja eine Vorbildfunktion haben. Spieler in der Kreisklasse sind oft technisch nicht die besten und vielleicht fehlt auch dem einen oder anderen das Können – doch muss man sie deshalb beleidigen? Warum ist denn ein Spiel, das um 9 Uhr morgens angesetzt wird, zu früh für einen Schiedsrichter, und er erscheint dann einfach nicht? Die Spieler sind doch auch da, oder?

Und klar ist doch auch, dass die Emotionen der Spieler, der Trainer und auch der Anhänger auch dazu gehören, oder? Darum lieben wir diesen Sport doch so!

Sicher müsst ihr, liebe Schiedsrichter, viel einstecken, und davon ist vieles nicht gerecht. Aber das wiederum liegt auch an einigen Ihrer Kollegen, die, wenn sie eine Partie leiten, oftmals so auftreten, als wenn sie das Spiel und die Regeln erfunden hätten ...

Es gibt auch Schiedsrichter, die – ich bitte um Entschuldigung dafür, dass ich das so schreibe – sich an der Mittellinie aufhalten, als wenn das ihr Bereich wäre (oftmals fehlt ihnen quasi nur noch ein Stuhl) ... Und wehe, ich laufe einmal einen Meter – aber aus 50 bis 60 Metern Entfernung sehen sie dann, dass der Ball über der Torauslinie war? Sorry, aber dann wundert es mich oft nicht, dass die Leute schimpfen!

Die Bezirksschiedsrichter-Ausschüsse tragen für mich auch manchmal eine Mitschuld – denn wie kann man beispielsweise einen unerfahrenen Schiedsrichter, der gerade 18 Jahre alt ist und vielleicht sein erstes Herren-Spiel leitet, in ein Derby zwischen den Sportfreunden Uetersen und Gencler Birligi Elmshorn schicken? Sorry, dass ich das so deutlich sage, aber: Da muss er ja Angst haben!

Wir beim NSV, das können so einige Schiedsrichter besser beurteilen, begrüßen die Schiedsrichter und sie bekommen, und das ist für mich eine Selbstverständlichkeit, Kaffee, Tee, Limonade, Wurst oder auch nach dem Spiel gerne einmal ein Bier von uns – egal, ob wir gewonnen oder verloren haben. Nach dem Spiel unterhält man sich, man steckt Kritik ein und verteilt Kritik – aber alles auf einem Level, das menschlich ist.

Ach ja und das ist keine Bestechung, sondern das ist einfach nur eine Geste, um ‚Danke‘ zu sagen!

Wenn sich, so glaube ich, vielleicht einige Schiedsrichter auch einmal trauen würden, einen Fehler zuzugeben, sowie der BSA und auch der Hamburger Fußball-Verband öfter und härter bei Beleidigungen, Tätlichkeiten und Drohungen durchgreifen würden, dann wäre auch alles wieder gut und wir könnten uns auf die schönste Sache der Welt konzentrieren: Auf den Fußball, den wir alle so lieben!“


(JSp)

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