
Cemil Yavas, Liga-Manager des TuS Osdorf, kennt beide Seiten: In der Saison 2011/2012 schafften die Osdorfer als Bezirksligist sensationell den Einzug in das Oddset-Pokal-Halbfinale: „Vor 1.300 Zuschauern haben wir mit 0:2 verloren“, erinnerte sich Yavas, dessen Osdorfer inzwischen als Oberligist zu den „Großen“ im Pokal-Wettbewerb zählen. Dennoch nannte es Yavas „respektlos“, dass Joachim Dipner, Spielausschussvorsitzender des Hamburger Fußball-Verbandes, vor der Auslosung der Achtelfinal-Paarungen erklärt hatte, dass sich „jeder Gegner freuen würde, wenn er gegen Rasensport Uetersen spielen dürfe.“ Ja, die Rasensportler, Spitzenreiter der Kreisliga 7, waren das klassentiefste Team im Teilnehmerfeld ‒ trotzdem waren Dipners damalige Aussagen nicht nur despektierlich, sondern auch faktisch falsch, da die Uetersener in dieser Saison mit dem Rahlstedter SC und dem FC Union Tornesch schon zwei Landesligisten sowie mit dem SV Lurup ein Bezirksliga-Spitzenteam eliminierten ‒ und 2016, noch als B-Klassen-Vertreter, den Oberligisten VfL Pinneberg ausschalteten.
Der Osdorfer Trainer Peter Wiehle hatte deshalb auch „höchsten Respekt“ vor dem Gegner und sagte seinen Schützlingen vor dem Anpfiff in der Kabine: „Für mich hat die Rasensport-Mannschaft das Format eines guten Landesligisten.“ Tatsächlich begegnete der Kreisliga-Spitzenreiter dem (noch) drei Klassen höher spielenden TuS-Team am Sonntag über 120 Minuten auf Augenhöhe ‒ erst im Elfmeterschießen machten die Osdorfer ihren Favoriten-Sieg perfekt. Die Rasensport-Verantwortlichen hatten bereits am Sonnabend erklärt, dass der Platz im Rosenstadion freigegeben und bespielbar sei. Obwohl es in der Nacht auf Sonntag weiter regnete, erfolgte tatsächlich der Anpfiff ‒ sehr zur Überraschung von Yavas: „Unsere Fahrt nach Uetersen gestaltete sich wegen des starken Regens problematisch und ich hatte fest damit gerechnet, dass es zu einer kurzfristigen Absage kommen würde.“ Während Yavas den Platz „angesichts der Umstände noch gut bespielbar“ nannte, monierte Wiehle, dass das Geläuf „gerade an den Seiten sehr tief und matschig gewesen“ sei. Vor allem auch darauf führte Wiehle es zurück, dass sich sein Team so schwer tat: „Die schlechten Platzverhältnisse waren für uns definitiv ein Nachteil und für die Uetersener von Vorteil.“
Fußballerische Höhepunkte waren in der ersten Halbzeit rar gesät. Ein Foul eines Ueterseners in der 20. Minute sorgte für erste erhitzte Gemüter, wurde von Schiedsrichter Arvid Maiwald (vom Moorreger SV) aber nicht einmal mit „Gelb“ bedacht. „Für mich war das eher ein Platzverweis als gar keine Karte“, echauffierte sich Yavas, der es zudem „unglücklich“ nannte, dass ein Referee aus der Nachbargemeinde von Uetersen die Begegnung leitete. In der 37. Minute gab es so etwas wie die erste Torchance des Favoriten, als Jeremy Wachter von links in die Mitte flankte, die Direktabnahme von Joel Weiß aber deutlich zu hoch geriet. „Ansonsten haben wir hinten sicher gestanden und nichts zugelassen“, befand Rasensport-Coach Peter Ehlers, der allerdings monierte: „Wir haben in der ersten Halbzeit etwas zu ängstlich agiert und zu wenig nach vorne gespielt.“ Nachdem der Osdorfer Felix Spranger gleich mehrere Flanken und auch einen Eckstoß in das Tor-Aus gesetzt hatte, gab es in der Nachspielzeit der ersten Hälfte die erste Torannäherung der Hausherren: Eine maßgenaue Hereingabe von Raphael Friederich von der rechten Seite köpfte Marcel Jobmann aber zu weich und mittig genau auf TuS-Torwart Claus Hencke.
Nach dem Seitenwechsel nahm der Außenseiter dann das Heft des Handelns in die Hand: „Im zweiten Durchgang haben wir besser nach vorne gespielt und meiner Meinung nach ein Übergewicht gehabt“, urteilte Peter Ehlers. Nach Friederichs nächster Rechtsflanke versuchte es Kirill Shmakov mit einer Direktabnahme, die Hencke aber stark fing (55.). Zehn Minuten später blockte die Gäste-Abwehr einen Schuss von Marvin Schramm noch ab. In der Schlussphase gab es dann noch eine Ecken-Serie für die Osdorfer, bei der aber außer einer Direktabnahm von Wachter, die deutlich zu hoch geriet (90.+3), nichts heraussprang, ehe Maiwald abpfiff ‒ und es beim Stand von 0:0 in die Verlängerung ging. „In der Extra-Spielzeit hatten die Uetersener vielleicht sogar Vorteile“, räumte auch Wiehle ein, dass der Außenseiter mehr investierte als der Favorit, um die Entscheidung herbeizuführen. „Wir wollten unbedingt ein Tor schießen ‒ schade, dass uns das nicht gelungen ist“, ärgerte sich Peter Ehlers. Versuche von Friederich (97.) sowie Philipp Friederich (98.) wurden von der vielbeinigen Gäste-Abwehr abgeblockt. Gleiches geschah auf der Gegenseite mit Schüssen der Osdorfer Felix Schlumbohm und Weiß (100.). In der Schlussphase der Verlängerung flog der eingewechselte Uetersener Artur Koziol knapp an einer Freistoßflanke vorbei (118.). Dann hatte Hencke Glück, dass, als er einen hohen Ball weg boxen wollte, aber im Stile eines Boxers Marcel Jobmann an der Stirn traf, Maiwalds Pfeife stumm blieb und Friederichs Nachschuss vorbei ging (120.).
So folgte das Elfmeterschießen als des Dramas letzter Akt. Die Osdorfer legten dabei vor: Ihre ersten vier Schützen Antonio Ude, Schlumbohm, Mehmet Eren und Jeremy Wachter verwandelten jeweils, wobei Knapp den nach links fliegenden Schuss von Schlumbohm mit einer Faust erwischte, den Ball aber in das eigene Netz lenkte ‒ Schlumbohm zog sich anschließend zunächst sein Trikot über den Kopf und atmete dann ganz tief durch. Die ersten drei Uetersener Mats Lennart Enderle, Mario Ehlers und Veton Hajrizi verwandelten in traumwandlerischer Sicherheit, ehe Marcel Jobmann links halbhoch an Hencke scheiterte. Anschließend konnte Spranger den Ex-Osdorfer Knapp verladen, flach rechts zum entscheidenden 3:5 einschieben und den Oberligisten damit in das Pokal-Viertelfinale schicken. Wiehle, der Mehmet Eren und Wesling ein Sonderlob machte, gestand, dass ein Sieg im Entscheidungsschießen „immer glücklich“ sei, sagte aber auch: „Das ist der Lohn und der erfolgreiche Abschluss eines für uns grandiosen Jahres 2018.“ Peter Ehlers entgegnete auf die Frage, ob dies seine bisher bitterste Niederlage als Trainer gewesen sei: „Im Elfmeterschießen zu verlieren, ist immer hart, kann aber passieren. Fakt ist, dass wir eine herausragende Leistung gezeigt haben und unser Matchplan perfekt aufgegangen ist.“