Zweite Bundesliga: Gewonnen und erstmals ohne Gegentor


Als sich Philipp Ziereis am Sonntag nach dem Abpfiff – über zwei Werbebanden hinweg und dadurch mit dem gebotenen Sicherheitsabstand – mit einigen Journalisten unterhielt, brachte er einen fast schon bescheiden anmutenden Wunsch zum Ausdruck: „Vier Punkte aus dieser Woche wären schön.“ Dabei ist es dem Verteidiger und seinem FC St. Pauli durchaus zuzutrauen, dass sie am Donnerstag, 28. Januar auch den VfL Bochum schlagen und es somit eine Sechs-Punkte-Woche wird, nachdem am Sonntag der SSV Jahn 2000 Regensburg nach sehr überzeugenden 90 Minuten mit 2:0 geschlagen wurde. Dafür, dass die Kiez-Kicker zum ersten Mal in dieser Saison ohne Gegentor blieben, wurden sie auch mit dem Sprung vom vorletzten Platz auf den rettenden 15. Rang der Zweiten Bundesliga belohnt.

Im kalten Millerntor-Stadion benötigten beide Teams etwas Zeit, um warm zu werden und in die Partie hineinzufinden. Zwar gab es schon in der zweiten Minute einen ersten Freistoß für die Hausherren, doch fehlte ihm ebenso die nötige Präzision wie in der Folge den Steilpässen, die oft zu lang gerieten und ins Aus sprangen. Als Leart Paqarada im linken Mittelfeld ein Doppelpass mit Rico Benatelli misslang, wurde daraus ein Konter der Gäste. Zwar eroberte Rodrigo Zalazar den Ball links neben dem eigenen Strafraum zurück, doch ging er dabei nach dem Geschmack von Schiedsrichter Bastian Dankert (vom Brüsewitzer SV) zu rabiat zu Werke, was ihm die erste Gelbe Karte der Partie und den Gästen einen Freistoß bescherte – beides blieb aber ohne Folgen (9. Minute).

Vier Zeigerumdrehungen später gab es für die Heim-Elf einen Freistoß, den Paqarada von rechts hoch auf den langen Pfosten flankte, von wo aus ihn Finn Ole Becker nach innen gab – aber der Kopfball von Daniel Kofi Kyereh verkam zu einer Bogenlampe, die SSV-Keeper Alexander Meyer mühelos fing. Die erste gute Gäste-Chance gab es, als Benedikt Saller von rechts flach in die Mitte passte, wo Max Besuschkow abzog, aber zu hoch zielte. Im direkten Gegenzug holte Guido Burgstaller im Luftkampf mit Scott Kennedy links im Halbfeld einen Freistoß heraus. Zalazar und Paqarada standen zur Ausführung bereit – am Ende war es Zalazar, der den Ball rechts in den Strafraum flankte; dort löste sich Kyereh von seinem Gegenspieler und schlug den Ball scharf vor das Tor, wo Burgstaller ihn mit langem Bein zum 1:0 über die Linie grätschte (26.).

St. Paulis neuer Torwart Dejan Stojanovic war erstmals gefordert, als Kaan Caliskaner nach Sallers Rechtsflanke einen Kopfball abgab – diesen fing der Torwart aber sicher (29.). Darauf folgten viel Geplänkel im Mittelfeld und ein überpünktlicher Abpfiff des aus Rostock angereisten Schiedsrichters. In den zweiten Durchgang starteten die Regensburger sehr offensiv, wodurch sich gleich mehrere Chancen auf den schnellen Ausgleich ergaben. Einen wuchtigen Saller-Schuss blockte Paqarada ab (47.), nach der folgenden Ecke klärten die St. Paulianer auch einen Versuch von Besuschkow auf Kosten eines erneuten Eckstoßes. Dieser wurde von den Gästen kurz ausgeführt und Sebastian Stolze passte zurück zu Kennedy, der aus Nahdistanz am linken Pfosten scheiterte. Den von Stolze aus Nahdistanz abgegebenen Nachschuss parierte Stojanovic, ehe die Szene abgepfiffen wurde, weil Stolze im Moment von Kennedys Schuss im Abseits stand (48.).

In dieser Situation hatten die Kiez-Kicker das Spielglück, das ihnen in den vergangenen Monaten so oft fehlte – und statt 1:1 stand es im Gegenzug plötzlich 2:0. Einen von Kyereh schnell ausgeführten Einwurf leitete Zalazar direkt weiter zu Omar Marmoush, der sich den Ball noch einmal ungestört zurechtlegen und dann aus 22 Metern flach links einschießen konnte (49.). Damit gelang dem Ägypter, der auch im Besitz eines kanadischen Passes ist, auch in seinem zweiten Heimspiel im St. Pauli-Trikot ein herrlicher Treffer, nachdem er zuvor schon beim 1:1 gegen Holstein Kiel getroffen hatte (SportNord berichtete, siehe unten stehenden Link). Sogar das 3:0 lag in der Luft, als Zalazar sich schön behauptete und von halblinks vor das Tor zog, dann aber knapp oben rechts vorbei zielte (53.).

Die Regensburger antworteten mit wütenden Attacken. Doch als Saller von rechts aus flach das lange Eck anvisierte, fand er seinen Meister im sehr sicher wirkenden Stojanovic (59.). Und kurz darauf wurde ein Kennedy-Gewaltschuss von den Hamburgern noch abgeblockt (61.). In der Folge stand Dankert im Mittelpunkt, als er Benatelli „nur“ einen Freistoß zusprach, als der St. Paulianer in den Gäste-Strafraum hineingefallen war (69.). Diese Entscheidung war aber, da das Foul deutlich vor dem Sechzehnmeterraum stattfand, ebenso richtig wie „Dreifach-Gelb“ nach einem Foul von Jan Elvedi an Burgstaller sowie darauffolgenden Diskussionen zwischen dem St. Pauli-Stürmer und Jahn-Kapitän Benedikt Gimber (78.). Erneut am dritten Tor schnupperten die Braun-Weißen, als Paqarada einen Freistoß nach rechts zu Marmoush spielte, dessen scharfe Hereingabe Zalazar dann in der Mitte über die Latte jagte (80.).

So versuchten es die Regensburger in der Schlussphase weiter, doch die Abwehr der Heim-Elf stand sehr sicher. Als der kurz zuvor eingewechselte SSV-Akteur David Otto den Ball auf die Latte flankte, hatte Stojanovic das Glück des Tüchtigen (86.). Referee Dankert überstimmte zudem seinen Assistenten, der Abstoß angezeigt hatte; so wurde die Partie mit einem Eckstoß fortgesetzt, in dessen Folge Gimber den Ball auf das Tornetz köpfte. Dass auch St. Paulis Sturmhoffnung Igor Matanovic noch „Gelb“ sah, weil der Regensburger Jan-Christopher George nach einem Foul zunächst furchtbar geschrien, das Spiel dann aber doch mühelos fortgesetzt hatte, war strittig – Dankert muss jedoch zugutegehalten werden, dass er komplett ohne Video-Beweis auskam, nachdem beim Regensburger Gastspiel beim Hamburger SV am 3. Januar gleich mehrmals der Kölner Keller bemüht worden war.

In der 89. Minute ging Jahn-Torwart Alexander Meyer, der von 2005 bis 2009 in der HSV-Jugend ausgebildet worden und anschließend drei Jahre lang bei der Reserve der „Rothosen“ aktiv gewesen war, mit nach vorne, was bei einem Zwei-Tore-Rückstand selten vorkommt. Tatsächlich kam der gebürtige Bad Oldesloer nach einer Freistoßflanke in Co-Produktion mit dem eingewechselten André Becker zum Kopfball, der aber zu hoch geriet. Auch die vierminütige Nachspielzeit überstanden die Kiez-Kicker schadlos, so dass sie erstmals seit dem 1. März 2020 – damals ließen sie einem 2:0-Derby-Sieg im Volkspark einen 3:1-Triumph gegen den VfL Osnabrück folgen – zwei „Dreier“ hintereinander feiern konnten. Ebenfalls positiv aus Sicht der St. Paulianer: Der Jahn aus Regensburg gehört nun, bei nur noch fünf Punkten Vorsprung auf den Relegationsplatz 16, ebenfalls zu den Teams, die im Klassement sorgsam nach unten schauen müssen.

(Johannes Speckner)

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