Testspiel: Vicky beim 1:5 gegen den HSV achtbar


Am Dienstagabend kam es zum mit Spannung erwarteten Freundschaftsspiel zwischen dem SC Victoria, der zuletzt vier Mal in Folge Meister der höchsten Hamburger Spielklasse geworden war und im Mai 2010 zudem den Oddset-Pokal gewann, und dem Bundesligisten Hamburger SV, der zwar ohne 15 auf Länderspiel-Reise weilende Profis anreiste (SportNord berichtete vorab, siehe unten stehenden Link), aber mit Dennis Aogo, Collin Benjamin, Pavel Drobný, Paolo Guerrero, David Jarolim, Robert Tesche und Piotr Trochowski immerhin sieben Akteure aus dem Stamm-Kader aufbot.

Die Hausherren begannen mutig und wären sogar fast in Führung gegangen, doch an einer Rechtsflanke von Ahmet Hamurcu sprang Jan Lauer alleine vor HSV-Keeper Drobný knapp vorbei (3.). Dann übernahmen erwartungsgemäß die Gäste die Spielkontrolle, doch Dániel Nagy scheiterte an einer Bein-Abwehr von Victorias Torwart Dennis Wolf (5.). Seine zweite Chance nutzte der Favorit dann aber zur Führung: Nachdem Victoria-Kapitän Jasmin Bajramovic etwa 25 Meter vor dem eigenen Tor Nagy gefoult hatte, führten die „Rothosen“ den Freistoß schnell aus – viel zu schnell für „Vicky“, und so konnte Guerrero den Ball problemlos querlegen zu Christian Groß, der aus acht Metern locker zum 0:1 vollstreckte. Nur drei Minuten später fiel das 0:2, als kein Victoria-Spieler dem schnellen Antritt von Nationalspieler Trochowski folgen konnte und Guerrero den Querpass von „Troche“ versenkte. Wolf verletzte sich dabei, konnte nach einer kurzen Behandlungspause aber weiterspielen.

Dann kam es zur einzigen unschönen Szene des Spiels: Nachdem sich Nagy zunächst gut gegen Jonah Asante behauptet hatte, ließ er sich im Vorbeilaufen an Bajramovic fallen, ohne dass es zu einer Berührung gekommen war (siehe Foto). Zum Glück erkannte Schiedsrichter Patrick Ittrich (vom MSV Hamburg) diesen plumpen Versuch, im Freundschaftsspiel (!) einen Elfmeter zu schinden, und forderte den 19-Jährigen Nagy auf: „Komm hoch, komm hoch, da war nichts!“ Als Bajramovic dann den Ball in höchster Not vor dem lauernden Guerrero weg schoss, wäre dies beinahe ein Eigentor geworden, doch Wolf war rechtzeitig am Boden und klärte zur Ecke. Diese schlug Trochowski von links herein und Benjamin köpfte auf Nahdistanz aufs Tor, wo Wolf den Ball aber mit glänzendem Reflex über die Latte lenkte. Als „Troche“ die fällige Ecke erneut von links ausführen wollte, zeigte Ittrich, dass er keine Angst vor großen Namen hat: „Du musst rüber laufen, der Ball ging rechts ins Aus ...“

Es zeigte sich, dass auch die Profis mit Spaß bei der Sache waren: Als Trochowski einen kurzen Pass in Aogos Rücken spielte und der Ball im Seiten-Aus landete, lachten jedenfalls beide Akteure ... Als Wolf einen Groß-Schuss nur abklatschen konnte, zimmerte Tesche den Abpraller unter dem heraus stürzenden Wolf hindurch ins Netz – doch dabei stand er im Abseits, so dass sein Tor nicht zählte (28.). Glück hatte Wolf, als ein Tesche-Schuss noch abgefälscht wurde und er bereits auf dem Weg in die falsche Ecke war, der Ball aber knapp am Pfosten vorbei strich (33.). Zwei Minuten später wurde ein Guerrero-Flachschuss sichere Beute von Wolf, doch dann war der 20-Jährige machtlos: Der Ungar Nagy legte den Ball klug am grätschenden Bumjoon Kim vorbei und hämmerte ihn dann aus 20 Metern ins lange Eck – ein herrlicher Treffer. Das 0:4 lag in der Luft, als Guerrero eine Aogo-Flanke direkt nahm und Wolf regungslos verharrte, der Ball aber knapp am linken Pfosten vorbeizischte.

Für die letzten Höhepunkte einer unterhaltsamen ersten Halbzeit sorgten Wolf, als er einen Schuss des Tschechen Jarolim, der an der Hoheluft tatsächlich die Kapitänsbinde tragen durfte, noch über die Latte lenkte (41.) und Victorias Spielmacher Stephan Rahn, der zunächst dem zu ballverliebten Guerrero das Leder abnahm und dann unter dem Jubel der Zuschauer auch noch Tesche tunnelte (43.). In die zweite Halbzeit starteten die Hausherren mit frischer Kraft und neuem Mut. Auf einmal attackierten sie die HSV-Profis im Mittelfeld, und als „Vicky“ einen Freistoß aus 22 Meter Torentfernung zugesprochen bekam, hielten alle die Luft an. Das war doch die Distanz für Rahn! Tatsächlich lief der 28-Jährige an und schoss den Ball über die HSV-Abwehrmauer ins rechte obere Eck – Drobný stand regungslos auf seiner Torlinie und schaute der Kugel nur hinterher ... Ein Traumtor von Rahn, der von 1999 bis 2003 für die HSV-Reserve (unter anderem 13 Regionalliga-Spiele) kickte.

Nun hatten die Hausherren Oberwasser und drängten auf den Anschlusstreffer. Lauer scheiterte nach Vorarbeit von Rahn am Tschechen Drobný, und als Lauer den Ball beim nächsten Angriff zu Ahmet Hamurcu querlegte, hätte dieser ihn nur noch ins leere Tor schießen müssen – doch der 28-Jährige, der bis 2002 für die HSV-Jugend kickte, jagte die Kugel über die Latte (57.). Dann war der Wirbel von „Vicky“ vorbei und die „Rothosen“ kontrollierten wieder das Geschehen. Ein Trochowski-Freistoß strich knapp am linken Winkel vorbei, so dass Rahn das Duell der Freistoß-Schützen für sich entschied ... Nach einem Eckstoß drosch der eingewechselte Rafael Kazior, eigentlich Kapitän der HSV-Reserve, den Ball dann zum 1:4 ins Netz. Auch Victoria hatte noch einen guten Angriff, doch nach einer Flanke von „Joker“ Michael Meyer hielt Drobný Lauers Kopfball-Bogenlampe sicher (75.). Zum 1:5-Endstand traf der 18-Jährige George Kelbel, der den Ball frei stehend aus 20 Metern in den Winkel donnerte.

Verwirrung gab es nach dem Abpfiff in Victorias Pressekonferenz-Raum, als es zunächst hieß, der HSV wünsche keine Pressekonferenz. Der HSV-Vorstandsvorsitzende Bernd Hoffmann, der bereits im PK-Raum saß, eilte daraufhin in die Gäste-Kabine; weil sich Chefcoach Armin Veh wohl mit dem Mannschaftsbus möglichst schnell auf die Heimfahrt gen Imtech-Arena begeben wollte, erschien dann Co-Trainer Michael Oenning im Pressekonferenzraum und erklärte: „Für uns war das heute aus mehreren Gründen ein Spiel, das wir gewollt haben. Am Wochenende ist spielfrei und wir haben alle Spieler mitgebracht, die wir noch hatten. Auch aus dem Amateur-Team waren einige Akteure dabei was wichtig ist, damit man sich kennen lernt. Es war ein faires Spiel, beide Teams haben den Ball laufen lassen und es sind Tore gefallen. Es war ein gelungener Abend und ich wünsche ‚Vicky‘, das ja momentan in Hamburg trendy ist, viel Glück für das DFB-Pokal-Spiel gegen den VfL Wolfsburg!“

Victoria-Coach Bert Ehm erklärte: „Ich möchte mich herzlich beim Hamburger SV für dieses Spiel bedanken. Der HSV ist mit sieben namhaften Spielern hier angetreten – schade, dass vorab mehrere Medien berichtet hatten, dass 15 Profis auf Länderspiel-Reise sind, denn sonst hätten wir sicherlich noch tausend Zuschauer mehr gehabt. Es war ein faires Spiel, und wir haben vernünftig Fußball gespielt. Was mich sehr geärgert hat war, dass wir das 2:3 auf dem Fuß haben, Hamurcu diese Großchance aber vergibt und wir quasi im Gegenzug nach einem Eckstoß das 1:4 kassieren. Maßlos geärgert hat es mich auch, wie das 1:5 entstanden ist, denn da meinten einige meiner Spieler, dass sie kopflos nach vorne spielen und rennen müssen – aber George Kelbel, der mir ohnehin sehr gut gefallen hat, hat das auch hervorragend gemacht!“ Bleibt zu hoffen dass das HSV-Gastspiel beim Hamburger Oberliga-Meister kein einmaliger Auftritt bleibt, sondern zu einer festen Institution wird!


Die Statistik:

SC Victoria: Dennis Wolf (46. Florian Ludewig) – Dennis Theissen (58. Michael Meyer), Jonah Asante, Jasmin Bajramovic, Bumjoon Kim (46. Argetim Kaba)- Sergej Schulz (64. Jan Melich), Roger Stilz, Sven Trimborn (81. Abdel Abou Khalil), Jan Lauer – Stephan Rahn (76. Jan Geist), Ahmet Hamurcu (58. Sascha Kremer). Trainer: Bert Ehm
Hamburger SV: Jaroslav Drobný – Florian Brügmann (46. Fahri Akyol), Collin Benjamin, Henrik Dettmann, Dennis Aogo (70. Mathias Haas) – David Jarolim (81. Zhi-Gin Lam), Robert Tesche (81. Gerrit Pressel) – Christian Groß (46. Isaac Akyere), Piotr Trochowski, Daniel Nagy (58. Rafael Kazior) – José Paolo Guerrero Gonzales (70. George Kelbel). Trainer: Armin Veh
Tore: 0:1 Christian Groß (12.), 0:2 José Paolo Guerrero Gonzales (15.), 0:3 Daniel Nagy (37.), 1:3 Stephan Rahn (51.), 1:4 Rafael Kazior (69.), 1:5 George Kelbel (86.).
Zuschauer: 2.072.
Schiedsrichter: Patrick Ittrich (MSV Hamburg).


(JSp)

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