
2:3, 2:5, 8:6, 2:7 und 3:3 – so torreich waren aus Sicht des Hamburger SV III die letzten Ergebnisse in der Saison 2017/2018 in der Oberliga Hamburg, an deren Ende der sofortige Wiederabstieg in die Landesliga stand. Nachdem die „Rothosen“ im Mai die direkte Rückkehr perfekt gemacht und zum Auftakt der Oberliga-Serie 2019/2020 vergleichsweise spartanisch mit 1:2 beim HSV Barmbek-Uhlenhorst verloren hatten, ließen sie es am Freitagabend wieder krachen: Zum Heim-Debüt fertigten sie ihren diesjährigen Mitaufsteiger FC Union Tornesch mit 6:1 ab. Das Union-Team verlor damit auch sein fünftes Pflichtspiel gegen die HSV-Dritte.
Dabei hielten die Tornescher auf dem Kunstrasenplatz der Paul-Hauenschild-Sportanlage an der Ulzburger Straße in Norderstedt zunächst mehr als passabel mit. „In der ersten Halbzeit waren wir unserem Gegner mindestens ebenbürtig“, beteuerte Union-Trainer Thorben Reibe. Die Gäste besaßen auch mehrere Gelegenheiten, um in Führung zu gehen: So lief Björn Dohrn frei auf HSV-Keeper Tino Dehmelt zu, legte sich den Ball aber einen Tick zu weit vor. Dann vergab Christian Kulicke eine Großchance, als er nach einem von rechts von Flemming Lüneburg kommendem Querpass am zweiten Pfosten über die Latte zielte. Gleich zweimal zog Jan Eggers aus 16 Metern ab – doch erst zielte er zu mittig und dann rechts vorbei. Kurz vor dem Pausenpfiff zog Dohrn von der Strafraumgrenze aus ab, bekam aber nicht genug Druck hinter den Ball. Weil Gäste-Torwart Björn Schramm auf der Gegenseite mehrmals gut parierte, wurden die Seiten beim Stand von 0:0 gewechselt.
„Das ist viel zu wenig“, war, wie auf der facebook-Seite der HSV-Dritten nachzulesen war, die Kabinen-Ansage der HSV-Trainer Marcus Rabenhorst und Christian Rahn an ihre Schützlinge. Um 21.02 Uhr waren die Spieler der Heim-Elf wieder zurück auf dem Platz, auf dem die Union-Kicker erst um 21.05 Uhr wieder eintrafen. „Wirklich anwesend waren wir aber offensichtlich nicht“, sagte Reibe angesichts der Tatsache, dass sein Team innerhalb von nicht einmal drei Minuten drei Gegentreffer kassierte. Zunächst traf Sepehr Nikroo nach einer Rechtsflanke am langen Pfosten (46. Minute), ehe Dominik Jordan eine weitere Hereingabe von der rechten Seite am kurzen Eck verwertete (47.). Dann zog Jeonghoon Ahn aus 25 Metern ab und der Ball schlug mittig über Björn Schramm hinweg unter der Latte ein (48.). „Vielleicht dachte er, dass der Schuss über das Tor gehen würde“, nahm Reibe seinen Schlussmann in Schutz, während der Jubel bei den zahlreichen HSV-Anhängern natürlich riesig war.
Aber die Tornescher gaben ein Lebenszeichen ab, als Eggers rechts Lüneburg fand, dessen Flanke Kulicke aus Nahdistanz per Direktabnahme rechts am chancenlosen Dehmelt vorbei zum 3:1 versenkte (59.). Kurios: Die HSV-Spieler versammelten sich daraufhin rund 30 Meter vor ihrem Gehäuse zu einer Team-Besprechung, die der souveräne Schiedsrichter Martin Ghafury (von Barmbek-Uhlenhorst) aber sofort unterbrach und die Akteure anwies, die Partie fortzusetzen. Wenig später wurde Kulicke, als er HSV-Verteidiger Jerry Sampaney halblinks enteilt war und den Doppelpack vor Augen hatte, wegen einer Abseitsstellung zurückgepfiffen (62.), ehe die „Rautenträger“ wieder offensiv in Erscheinung traten: Ahn wurde halbrechts kurz vor der Strafraumgrenze von den Torneschern Fabian Tiedemann und Phillip Kuschka gefoult. Den darauffolgenden, von halbrechts kommenden Nikroo-Freistoß ließ Björn Schramm passieren, obwohl er haltbar schien (64.).
Noch schlimmer für Björn Schramm, der als Vertreter des privat verhinderten Stammkeepers Norman Baese sein Oberliga-Debüt gab, kam es in der 70. Minute: Nach einem Rückpass schoss der 29-Jährige, der eigentlich nicht nur ein exzellenter Keeper, sondern auch ein hervorragender Fußballer ist, den nachsetzenden Jordan an. Da der Ball in Richtung der rechten Eckfahne sprang, schien die Gefahr gebannt zu sein – doch Jordan lief hinterher und gab fast von der rechten Eckfahne und spitzestem Winkel aus der Drehung einen Direktschuss ab, der Björn Schramm überraschte und im Netz einschlug – ein Wahnsinnstor (70.). Schließlich trug sich auch noch Ex-Nationalspieler Marcell Jansen in die Torschützenliste ein: Der Präsident des HSV e. V., der erst in der 68. Minute für Max Scholz eingewechselt worden war, traf nach einem Alleingang von halblinks flach zum 6:1-Endstand in das lange Eck (75.).
Während sich die HSV-Verantwortlichen über „einen absolut verdienten Sieg“ freuten, räumte Reibe in Erinnerung an die drei Tage zuvor in der Zweiten Runde des Lotto-Pokals erlittene 0:9-Klatsche beim SC Victoria Hamburg ein, dass das 1:6 „noch schmerzhafter“ sei, da seine Elf „eher mit dem HSV III als mit Victoria auf Augenhöhe“ sei. Die HSV-Dritte blickt den kommenden Aufgaben nach dem höchsten Oberliga-Sieg ihrer Geschichte zuversichtlich entgegen. Den zuvor deutlichsten Erfolg in Hamburgs höchster Klasse hatten die „Rothosen“ übrigens am 24. November 2017 gegen den VfL Pinneberg errungen. Auch damals war Reibe der Gäste-Trainer und für den VfL standen mit Lennart Dora, Fabian Knottnerus, Kulicke sowie Philipp Werning vier Spieler auf dem Feld, die nun das Union-Trikot trugen.