
Relegation ist, wenn die klassentiefere Mannschaft sich über zwei Spiele komplett verausgabt und dicht vor dem Aufstieg steht, das klassenhöhere Team dann aber mit zwei späten Treffern doch noch den Klassenerhalt schafft! Zu diesem Schluss könnte der geneigte Fußball-Beobachter zumindest nach den Ereignissen von Montagabend und Dienstagabend kommen: Wie der Zweitliga-Dritte Karlsruher SC gegen den Bundesliga-Drittletzten Hamburger SV, so stand auch der Drittliga-Dritte Holstein Kiel einen Tag später ganz dicht vor dem Aufstieg ‒ doch am Ende zog der Zweitliga-Drittletzte TSV 1860 München so, wie der HSV, den Kopf doch noch aus der Abstiegsschlinge. 1860-Trainer Torsten Fröhling, in Hamburg noch bestens bekannt aus seiner Zeit als Spieler beim FC St. Pauli sowie als Trainer bei Eintracht Norderstedt (Jugend) und Altona 93, buchte mit dem 2:1-Sieg im Relegations-Rückspiel gegen seinen Ex-Klub Kiel das Ticket für eine weitere Zweitliga-Saison, während Holstein-Coach Karsten Neitzel mit seinem Team in der Dritten Liga bleibt.
In der Allianz-Arena, in der 57.000 Zuschauer die Partie verfolgten, legten die Hausherren in den ersten fünf Minuten ein hohes Tempo vor. Einen Gewaltschuss von Valdet Rama boxte der Kieler Keeper Kenneth Kronholm sensationell noch aus dem Winkel (3.). Spätestens, als Holstein-Kapitän Rafael Kazior den Ball in der sechsten Minute nach einem Doppelpass mit Jaroslaw Lindner ins Gehäuse der „Löwen“ bugsierte, dabei aber im Abseits stand, so dass Schiedsrichter Knut Kircher (vom TSV Hirschau) den Treffer zurecht nicht anerkannte, war es aber mit der Herrlichkeit der Hausherren vorbei. Und in der 16. Minute gingen die Schleswig-Holsteiner in Führung: Einen Eckstoß, den Tim Siedschlag von der rechten Seite herein geschlagen hatte, verlängerte Lindner per Kopf gen langen Pfosten, wo Kazior energisch in den Ball hineinsprang (sein Bewacher Kai Bülow blieb in vornehmer Zurückhaltung hinter ihm) und zum 0:1 ins Netz jagte. Damit war aufgrund der Auswärtstorregel klar, dass der TSV 1860 nun zwei Treffer benötigte, um dem Abstieg zu entgehen.
Anschließend war die Partie arm an Höhepunkten. Der Drittliga-Dritte war dem ‒ zugegeben in dieser Phase nicht allzu starken ‒ Zweitliga-Drittletzten mindestens ebenbürtig und stand in der Abwehr so sicher, dass es fast keine Torchance für die Heim-Elf gab. Allerdings versäumten es die Kieler, einer lethargisch wirkenden Münchener Mannschaft mit dem 0:2 den endgültigen Todesstoß zu setzen. Die beste Chance dazu vergab „Joker“ Marc Heider, dessen Kracher von links aus TSV-Torwart Vitus Eicher noch über die Latte lenkte (71.). Trotzdem deutete lange nichts darauf hin, dass der Aufstieg der KSV Holstein noch einmal in Gefahr geraten könnte. Mit fortlaufender Spielzeit gingen den Holstein-Spielern, die ein extrem hohes Laufpensum geleistet hatten, dann aber immer mehr die Kräfte aus. Gegen nur noch zehn Münchener hätten es die Kieler sicher leichter gehabt. Doch Kircher schubste gegen Christian Schindler lieber zurücks, anstatt dem 1860-Kapitän für dessen körperliche Annäherung, um es freundlich auszudrücken, „Rot“ zu zeigen (76.).
Danach kippte die Partie zugunsten der „Löwen“. Ausgerechnet jener Schindler legte nur zwei Minuten später eine Flanke so ab, dass Daniel Adlung per Direktabnahme das 1:1 gelang ‒ Kronholm hatte hierbei keine Abwehrchance, zumal ihm die Sicht versperrt war. Dieser Treffer war ein Weckruf für die Münchener, die sich plötzlich noch einmal zu einer Schlussoffensive aufrafften, die ihnen zuvor kaum noch zuzutrauen gewesen war. Einen Schuss von Julian Weigl parierte Kronholm spektakulär (80.) und ein Angriff nach dem anderen rollte auf das Gäste-Gehäuse zu. Und weil es Maik Kegel versäumte, bei einem Kieler Konter mit dem 1:2 den Sack zuzumachen (seine zu lasche Direktabnahme wehrte Eicher mit einer Hand ab/88.), passierte in der ersten Minute der Nachspielzeit das, was sich zwölf Minuten lang angedeutet hatte: Im enorm engen Strafraumgetümmel klärten die Gäste einen Ball nicht weit genug, Ramas Schuss sprang vom linken Pfosten genau vor Bülows Füße und der Ex-Rostocker staubte zum 2:1 ab. Nun hatte die Kieler neben den Kräften auch das nötige Glück verlassen!
Trotz darauf folgendem ausgiebigem Torjubel der Münchener und deren anschließender Zeitschinderei sah Kircher keine Veranlassung dazu, die vierminütige Nachspielzeit noch einmal zu verlängern. Den geschockten Kielern gelang es nicht mehr, sich noch eine Chance zum 2:2-Ausgleich, der ihnen den Aufstieg beschert hätte, herauszuspielen. Und so stürzten die Holstein-Spieler nach einer grandiosen Saison und obwohl sie auch in der Relegation über 180 Minuten eine Top-Leistung zeigten, nach dem Abpfiff ins Tal der Tränen. Nach den Geschehnissen vom Dienstagabend dürften die Fußballanhänger in Norddeutschland noch mehr Mitgefühl mit den Karlsruhern für das, was ihnen einen Tag zuvor widerfuhr, haben. Der KSV Holstein, die erst im Sommer 2013 in die Dritte Liga aufgestiegen war (SportNord berichtete, siehe unten stehenden Link), bleibt zu wünschen, dass sie in der kommenden Saison erneut in der Drittliga-Spitzengruppe mitmischen und vielleicht im Sommer 2016 nach dann 35 Jahren Abstinenz die Rückkehr in die Zweite Bundesliga schaffen kann ...