
Nachdem Kilian Utcke am 2. August im ersten Testspiel des Hamburger Oberligisten SV Rugenbergen drei Tore zum 4:0-Sieg gegen den Bezirksliga-Neuling FTSV Komet Blankenese beigesteuert hatte (SportNord berichtete, siehe unten stehenden Link), hatte er im Spaß gesagt: „Ich bin gut in Schuss – vielleicht treffe ich ja im Pokalspiel sogar viermal.“ Einen Viererpack schnürte der 21-Jährige zwar am Sonntag nicht, doch fabrizierte er immerhin einen Treffer und drei Torvorlagen beim 4:2-Erfolg bei der SV Halstenbek-Rellingen, mit dem die Bönningstedter das Halbfinale des Lotto-Pokals erreichten. „Unser Sieg war ohne Frage glücklich – aber wir sind sehr froh, dass wir weitergekommen sind“, erklärte Michael Fischer nach seinem gelungenen Pflichtspiel-Einstand als SVR-Coach.
Hans Jürgen Stammer, Erster Vorsitzender von HR, wachte höchstpersönlich zusammen mit einem Ordner darüber, wer die Sportanlage betrat. 150 Personen, die im telefonischen Vorverkauf eine Eintrittskarte erworben und sich namentlich zu registrieren hatten, durften das Geschehen auf dem Jacob-Thode-Platz verfolgen. Mussten sich die Halstenbeker sportlich ihrem klassenhöheren Kreis-Rivalen geschlagen geben, so errangen sie doch einen Sieg auf anderer Ebene: „Auf Geheiß des Ordnungsamtes hat uns die Polizei einen Besuch abgestattet – und sie hatte keine Beanstandungen“, so Stammer, der dies „besonders wichtig“ fand, „damit der Amateur-Fußball in dieser Zeit der Unsicherheit eine Perspektive hat“.
Die Perspektive, den Pokal zu gewinnen oder zumindest dessen Vorschlussrunde zu erreichen, wäre für die HR-Kicker deutlich besser gewesen, wenn sie in Führung gegangen wären. Und die Möglichkeiten dafür waren vorhanden, denn schon in der dritten Minute schnupperten sie am 1:0. Eine Rechtsflanke von Daniel Diaz Alvarez hätte der neue HR-Stürmer Pascal Haase (kam vom Oberligisten USC Paloma) am langen Pfosten „nur“ einschieben müssen – doch der langjährige Angreifer von Rugenbergen traf den Ball nicht richtig. Nur zwei Zeigerumdrehungen später gab es die nächste gute Gelegenheit: Eine Freistoßflanke köpfte Cherno Baba Njie knapp am langen Eck vorbei. In der Folge scheiterten Luis Diaz Alvarez (12. Minute) und Njie (15.) jeweils mit satten Schüssen an SVR-Keeper Patrick Hartmann.
Fischer missfiel die Passivität seiner Schützlinge, die er ermahnte: „Ihr bewegt euch wie in einer Senioren-Residenz.“ Dies nahm sich Marlon Stannis zu Herzen: Er gab den ersten Torschuss der Gäste ab, der noch in der HR-Abwehr hängen blieb (21.). In der 27. Minute begünstigte „eine Halstenbeker Fehlerkette“, wie HR-Coach Heiko Barthel es ausdrückte, die Gäste-Führung: Frederic Ernst klärte einen hohen Ball per Kopf, obwohl sein Keeper Niklas Marten zuvor schon laut „Torwart“ gerufen und sich zum Abfangen der Kugel positioniert hatte. Dann misslang ein Befreiungsschlag von Ümit Karakaya und Njie riss kurz vor dem eigenen Strafraum Utcke um. Den fälligen Freistoß verwandelte Utcke selbst aus 17 Metern halblinker Position, wobei er davon profitierte, dass der von ihm aus gesehen ganz links in der Halstenbeker Fünf-Mann-Mauer stehende Mirco Clausen zur Seite ging, weshalb der halbhohe Ball zwischen ihm und Dario Ivanko hindurchflog. Marten berührte ihn noch, konnte ihn aber nicht mehr richtig abwehren.
Nur fünf Minuten später schlug das klassenhöhere Team erneut zu: Enzo Simon behauptete mit guter Ballführung zwischen Ivanko sowie Nico Gerber das Spielgerät und schoss dann aus 20 Metern flach rechts ein (34.). Dass er dieses Tor an seiner früheren Wirkungsstätte mit einem Luftsprung, mit Gesten auf sein Trikot sowie das SVR-Emblem und vor der HR-Bank auf dem Rasen knieend feierte, missfiel den Halstenbekern verständlicherweise. „Aber da stehen wir drüber – er ist jetzt ein Oberliga-Spieler“, sagte Barthel über den Stürmer, der vom Juli 2019 bis zum Januar 2020 noch für die „Baumschuler“ gekickt und zu deren Einzug in das Pokal-Achtelfinale beigetragen hatte.
Weil der wieder einmal sehr laufstarke Leon Neumann von rechts aus spitzem Winkel zu hoch zielte (40.) und Utcke flach rechts vorbeischoss (41.), kam der Fünftligist in der ersten Halbzeit auf keine hundertprozentige Trefferquote. Auf der Gegenseite köpfte Ernst nach Clausens Ecke von rechts knapp am kurzen Pfosten vorbei (45.), ehe es in die Pause ging. Nach einer guten Stunde verpassten es die Bönningstedter, eine Vorentscheidung herbeizuführen, als beim wohl schönsten SVR-Angriff über Utcke und Marlon Stannis letztlich Neumann rechts am kurzen Eck vorbeischob (61.). Statt 0:3 hieß es im direkten Gegenzug 1:2, da der eingewechselte Jannik Asmußen einschob, nachdem Hartmann eine Rechtsflanke fallen ließ (66.).
Die Hausherren schöpften neuen Mut – und wurden eiskalt erwischt: Utcke behauptete sich gegen Nico Gerber am Rande der Fairness, aber die Pfeife von Schiedsrichter Johannes Meyer-Lindenberg (vom Harburger TB) blieb stumm. Daraufhin passte Utcke zu Stannis, der Ivanko enteilte und von halblinks aus Marten gekonnt überlupfte – 1:3 (69.). Die „Baumschuler“ rannten aber weiter an und nachdem Hartmann einen Freistoß des eingewechselten Marcel Schöttke über die Latte gelenkt hatte (78.), wurde es in der 86. Minute tatsächlich noch einmal eng. Weil bei einem Gäste-Eckstoß ein Halstenbeker vor dem einschussbereiten Kevin Beese rettete, hätte es eigentlich erneut eine Ecke für Rugenbergen geben müssen. Meyer-Lindenburg entschied jedoch fälschlicherweise auf Abstoß, und den von Marten weit nach vorne beförderten Ball versenkte mit Jannik Arnold ein weiterer „Joker“ von Barthel gegen die weit aufgerückten SVR-Kicker zum 2:3 (86.).
In der Schlussphase warf der Landesligist noch einmal alles nach vorne. Eine klare Chance zum 3:3-Ausgleich, der den Gang in die Verlängerung bedeutet hätte, ergab sich jedoch nicht mehr. In der vierten und letzten der angezeigten Nachspielzeit-Minuten verlor Ivanko in einem Dribbling gegen drei SVR-Akteure den Ball – ein mögliches Foul blieb von Meyer-Lindenberg ungeahndet –, woraufhin die Gäste den Sack zumachten: Der eingewechselte Caleb Awuah vollendete nach einem Doppelpass mit Utcke via rechtem Innenpfosten zum 2:4-Endstand (94.). „Es war ein spannendes und sehr intensives Duell“, so Fischer, der es „bemerkenswert“ fand, „wie gut die Akteure beider Teams nach einer so langen Spielpause und angesichts der hohen Temperaturen Gas gegeben haben“. Auch Barthel lobte seine Schützlinge: „Meine Mannschaft hat defensiv wie offensiv alles, was wir uns vorgenommen hatten, gut umgesetzt – bis auf das verflixte Toreschießen.“