Verbandsliga Süd-West: Der SC Kisdorf ist pleite!


Der SC Kisdorf, dessen Erste Herren-Mannschaft in der Verbandsliga Süd-West zurzeit Tabellen-Elfter ist, ist pleite! Einen Schuldenberg im sechsstelligen Bereich soll der Gesamtverein, der in den elf Sparten Fußball, Handball, Tischtennis, Badminton, Turnen, Tanzen, Basketball, Rückenschule, Fitness und Aerobic, Nordic Walking sowie Sport für Jedermann insgesamt 870 Mitglieder (Stand: 1. September) hat, angehäuft haben. Obwohl die Fußball-Abteilung zuletzt kontinuierlich schwarze Zahlen geschrieben haben soll, ist nun auch für die Fußball-Mannschaften des Klubs aus dem Kreis Segeberg das Aus zum 30. September quasi besiegelt. SCK-Coach Sven Firsching nahm sich Zeit für ein Interview mit SportNord ...


SportNord: Seit wann wissen Sie von den finanziellen Problemen Ihres Vereins?
Sven Firsching: „Mir war schon länger bekannt, dass es finanziell nicht gut bestellt ist um den Gesamtverein. Als der Insolvenzgutachter am vergangenen Montag sagte, dass es kein Licht am Ende des Tunnels gibt, war das aber auch für mich ein Schock!“

SportNord: Wie waren Ihre ersten Gedanken, als Sie erfahren haben, dass der Spielbetrieb nun wohl zum 30. September eingestellt werden muss?
Firsching: „Da herrschte einfach nur Frust pur und gar nicht einmal Resignation, wohl aber sehr großer Ärger auf den Gesamtvorstand. Lediglich Claus Rath, auch mein Co-Trainer, gebührt mein Respekt. Er hat bis zuletzt als Mitglied des Vorstandes alles versucht und war eigentlich die ärmste Sau. Ich möchte es vorsichtig ausdrücken – aber hier könnte man den Eindruck gewinnen, dass wohl fast schon grob-fahrlässig gehandelt und eine jahrelange Misswirtschaft betrieben wurde.“

SportNord: Wie konnte so ein hoher Schuldenberg angehäuft werden?
Firsching: „Vor allem sorgen wohl langfristige Pachtverträge dafür, dass es dem Gesamtverein so schlecht geht. Der SCK hatte jahrelang Ausgaben, die deutlich höher waren, als die Einnahmen waren. Jede Hausfrau würde schnell feststellen, dass sie ihre Familie so nicht durchbringen kann – beim SCK-Vorstand wurde jahrelang einfach weiter gewirtschaftet ...“

SportNord: Was entgegnen Sie Vorwürfen, die besagen, dass die Kisdorfer Fußballer mit der Zahlung von hohen Aufwandsentschädigungen an Spieler ihren Teil zur Anhäufung des Schuldenbergs beigetragen haben?
Firsching: „Diesen Vorwürfen widerspreche ich energisch. Wir haben uns als Erste Herren-Mannschaft zwar nie selbstständig gemacht, wie es in anderen Vereinen vollzogen wurde, sondern waren immer noch Bestandteil der Fußballsparte. Durch meine Tätigkeit hatte ich aber stets Einblick in die Finanzen und kann Ihnen versichern, dass die Fußball-Sparte in den letzten Jahren immer schwarze Zahlen geschrieben hat ...“

SportNord: Aber Leistungssport, den Ihre Mannschaft in der Verbandsliga ja ohne Frage betreibt, kostet doch Geld!
Firsching: „Natürlich kostet es Geld, und gerade die Schiedsrichter-Kosten sind im Handball und Basketball sogar noch höher als beim Fußball – aber die Schiedsrichter sind immer bezahlt worden. Und, um auf Ihre eigentliche Frage zurückzukommen: Bei uns hat kein Spieler eine Aufwandsentschädigung bekommen, sondern wir haben nur geringe Spritgebühren bezahlt. Und außerdem haben wir im Sommer und im Winter jeweils ein Turnier ausgerichtet und uns zahlreiche Sponsoren ins Boot geholt, so dass wir gute Einnahmen vorweisen können. Übrigens: Auch unsere Handball-Frauen, die zusammengeschlossen mit Henstedt-Ulzburg immerhin in der Dritten Liga spielen, und auch die Basketballer haben, wenn meine Informationen stimmen, keine ‚roten Zahlen‘ geschrieben!“

SportNord: Also können Sie guten Gewissens behaupten, dass Ihre Fußball-Mannschaft keine Schuld an dem finanziellen Desaster trifft?
Firsching: „Ja, absolut! Ganz im Gegenteil, es war sogar so, dass der Erste Vorsitzende unserer Abteilung, Carl-Heinz Warner, sowie zahlreiche Spieler und ich uns im Sommer 2011 hingestellt und auf eigene Kosten die Sportplätze saniert haben, in dem wir neuen Rasen gesät haben. Eigentlich sollten wir das Geld dafür vom Gesamtverein wiederbekommen, doch darauf warten wir bis heute ... Und ich glaube nicht, dass beispielsweise die Basketballer oder die Handballer den Parkettboden in ihrer Halle sanieren – dafür wird wohl die Gemeinde aufkommen ...“

SportNord: Ist es denn nicht möglich, die Fußballsparte, die ja offenbar solide gewirtschaftet hat, auszugliedern und auf eigene Beine zu stellen?
Firsching: „Wir haben in dieser Woche Tacheles gesprochen und klar gesagt, dass wir ab sofort zukunftsorientiert arbeiten wollen. Zum 1. Juli 2012 möchten wir einen neuen, reinen Fußballklub gründen. Ob der dann ‚FC Kisdorf‘, ‚Dynamo Kisdorf‘ oder ‚Lokomotive Kisdorf‘ oder wie auch immer heißen wird, ist noch vollkommen offen – klar ist aber, dass es in diesem Verein keine anderen Sparten außer dem Fußball geben soll. Der jetzige Vorsitzende der Fußball-Abteilung, Herr Warner, hat bereits versprochen, für den Vorsitz dieses neuen Vereins zur Verfügung zu stehen. Und wir haben auch viele weitere Ehrenamtliche, die uns helfen wollen, damit am Strietkamp weiter Fußball gespielt werden kann!“

SportNord: Was aber ist zwischen dem 30. September, wenn dem aktuellen Spielbetrieb das Aus droht, und dem 1. Juli 2012?
Firsching: „Es gibt eine kleine Chance, unter einem anderen Namen auch in diesen neun Monaten weiterzuspielen. Herr Warner sprach darüber bereits mit Herrn Jörn Felchner, dem Justiziar des Schleswig-Holsteinischen Fußball-Verbandes. Es gibt da einen Passus im Regelwerk, der besagt, dass wir unter dem Dach eines anderen Vereins, der zurzeit keine Verbandsliga-Mannschaft hat, weiterhin in der Verbandsliga spielen könnten; gleiches gilt für unsere Zweite Herren-Mannschaft, die in der B-Kreisklasse Segeberg spielt. Damit dies möglich ist, müsste uns ein anderer Klub bei sich aufnehmen ...“

SportNord: Es wäre ja wünschenswert, dass der Spielbetrieb aufrecht erhalten werden könnte. Aber könnte Kisdorf, wenn Ihr Team jetzt von einem anderen Verein aufgenommen wird, auch in der Saison 2012/2013 in der Verbandsliga spielen?
Firsching: „Wenn auch hier meine Informationen stimmen, leider nicht. Wir müssten auch in diesem Fall definitiv im Sommer 2012 aus der Verbandsliga absteigen, so dass die sportliche Herausforderung in den kommenden neun Monaten natürlich deutlich geringer wäre ... Eine andere Möglichkeit, falls es nicht klappt, dass wir unter dem Dach eines anderen Vereins unterkommen, wäre, in den nächsten Monaten trotzdem weiter zu trainieren und regelmäßig Freundschaftsspiele zu bestreiten. Aber ich habe zu meinen Spielern schon ganz offen gesagt, dass sie das wohl höchstens zwei Monate mitmachen und dann spätestens im Winter den Verein wechseln würden – und das könnte ich auch keinem verübeln!“

SportNord: In welcher Spielklasse könnte denn der neu gegründete Verein im Sommer 2012 starten?
Firsching: „Das ist noch fraglich: Entweder in der Kreisliga Segeberg oder in der untersten Klasse, der D-Kreisklasse Segeberg ... Am Donnerstag, 29. September haben die Verantwortlichen der Fußballabteilung noch einmal ein Gespräch mit Herrn Felchner, in dem es um die Möglichkeit geht, unter dem Dach eines anderen Vereins zu spielen. Hans-Otto Woroniak, Erster Vorsitzender des Kreisfußball-Verbandes Segeberg, wird ebenfalls vor Ort sein, so dass wir dann hoffentlich auch klären können, in welcher Liga es für Kisdorf in der Saison 2012/2013 weitergehen würde.“

SportNord: Müsste dann im Sommer 2012 eine komplett neue Mannschaft aufgebaut werden?
Firsching: „Wir befinden uns momentan in Gesprächen mit mehreren Vereinen, bei denen wir unsere Spieler bis zum nächsten Sommer unterbringen könnten: Das sind nicht unbedingt alles Verbandsligisten, zumindest aber Kreisligisten – und es werden natürlich auch nicht alle Spieler geschlossen zu einem Klub wechseln, aber vielleicht zumindest einige. Und klar ist: Der Großteil unseres aktuellen Teams fühlt sich verbunden mit dem Umfeld in Kisdorf und könnte sich vorstellen, dann im Sommer 2012 zu uns zurückzukommen: Allerdings nur, wenn wir in der Kreisliga einen Neuanfang starten können, und nicht in die D-Klasse zurückversetzt werden ...“

SportNord: ... und wie sehen Sie als Trainer dies, wenn Sie an Ihre eigene Zukunft denken?
Firsching: „Nachdem die finanziellen Probleme des SCK bekannt wurden, hatte ich schon zwei lockere Anfragen von anderen Vereinen, die aber für mich momentan kein Thema sind: Ich bin nicht der Typ, der gleich von einem Pferd aufs andere springt. Natürlich wird es für mich als Trainer irgendwann weitergehen – wenn nicht in Kisdorf, dann irgendwo anders. Die Grundvoraussetzung dabei ist für mich, dass ich mich wohlfühle, und dafür müssen die entscheidenden Positionen mit fähigen Personen besetzt sein. Dann könnte ich auch als Co-Trainer oder als A-Jugend-Coach arbeiten und würde mir sogar die D-Klasse antun, wenn die Grundvoraussetzungen stimmen und alle mit Spaß dabei sind.“

SportNord: Sie sind im Sommer 2008 nach Kisdorf gekommen – wie sehr ist Ihnen der SCK inzwischen ans Herz gewachsen?
Firsching: „Sehr, sehr stark, denn ich habe mich hier über das normale Maß eines Trainers hinaus engagiert ... Dabei ist viel Zeit draufgegangen und neben meiner Familie ist dieser Verein meine zweite Heimat geworden. Wir haben alle zusammen dreieinhalb Jahre aufopferungsvoll gearbeitet und ich bin den Vorstandsmitgliedern sehr dankbar, dass sie mir auch in sportlich schweren Situationen den Rücken gestärkt haben – das vergesse ich auch in einer Zeit, in der es dem Verein, so wie jetzt, schlecht geht, nicht! Dass das nun von heute auf morgen wie eine Luftblase zerplatzt ist, tut mir sehr, sehr weh!“

SportNord: Bei Ihrem vorherigen Verein, der Bramstedter TS, wo Sie Ihre aktive Karriere beendeten, gab es ebenfalls finanzielle Probleme. Sind die beiden Fälle miteinander vergleichbar?
Firsching: „Die BT war seinerzeit eine namhafte Adresse. Doch als Jens Martens als Trainer zurücktrat, wurden Zahlen publik gemacht, die besagten, dass es der Fußballsparte finanziell alles andere als gut ging. Ich war damals Spieler und kein Funktionär. Es ist immerhin fast 20 Jahre her, insofern kann ich hier auch nicht sehr viel zu sagen. Ich weiß, dass bei den Handballern der Turnerschaft, die höherklassig spielten, die Stadt Bad Bramstedt mit einer Bürgschaft eingesprungen ist und dafür Sorge trug, dass die Schulden getilgt wurden. Damals ging das noch – mittlerweile sagt der Landesrechnungshof wohl, dass die Gemeinde bei so etwas nicht mehr aktiv werden kann. Und das finde ich verwerflich, wenn man bedenkt, dass unsere Fußball-Abteilung mehr als 300 Mitglieder hat, von denen mehr als die Hälfte Jugendliche sind. Sie alle stehen jetzt vorerst auf der Straße, auch wenn unsere jugendlichen Fußballer eine Spielgemeinschaft mit dem TSV Kattendorf bilden und dann hoffentlich dort weiterspielen können ...“

SportNord: Tritt Ihre Mannschaft am Sonntag, 25. September beim Neuling TuS Garbek noch an?
Firsching: „Ja, unser Verbandsliga-Derby beim TuS Garbek findet auf jeden Fall statt und auch das Kreispokal-Viertelfinale gegen die Kaltenkirchener TS am Mittwoch, 28. September wird noch ausgetragen. Im Falle eines Sieges würden wir das Halbfinale zwar wohl nicht mehr bestreiten können, sondern der SC Rönnau 74 würde automatisch ins Finale einziehen, was irgendwie auch eine unschöne Situation ist – aber die Rivalität zwischen der KT und uns ist so groß, dass wir auf jeden Fall versuchen wollen, unseren Nachbarn Kaltenkirchen zu schlagen. Abschließend möchte ich noch einmal sagen: Ich hätte nie geglaubt, dass es so weit kommen könnte, denn sportlich und finanziell lief bei uns in der Fußball-Abteilung alles hervorragend!“


Interview: Johannes Speckner

 Redaktion
Redaktion Artikel