
Regelrecht verliebt schaut sich Stefan Meyer in seiner alten und neuen sportlichen Heimat um. „Ein schöner Grandplatz kann auch entzücken“, sagte Meyer, der in diesem Sommer zu KS Polonia zurückkehrte. Nachdem Meyer bereits von 2011 bis 2013 zweieinhalb Jahre für die Erste Mannschaft des polnischen Klubs auf Torejagd ging, baute und baut er nun ein neues Reserve-Team an der Finkenau auf. Und ihm gefällt das Umfeld: „Wir haben ein muckeliges kleines Vereinsheim, das komplett in Eigenregie erstellt wurde ‒ dort malen und dekorieren die Polonia-Verantwortlichen selbst“, so Meyer, der sich erinnerte: „In diesem Klubheim habe ich schon Weihnachtsfeiern bis morgens um halb sieben erlebt.“ Es geht familiär zu bei Polonia: „Wer hier einmal herkommt, der gehört dazu“, so Meyer, dessen Kontakt zum polnischen Klub in den vergangenen Jahren „nie abriss“, wie er betonte: „Gewisse Verbindungen sind immer bestehen geblieben ‒ und dementsprechend wurden wir jetzt auch von den Spielern und Verantwortlichen der Ersten Mannschaft herzlich aufgenommen.“
Die Liga-Mannschaft von Polonia, zuletzt Tabellen-Fünfter der Kreisklasse 7, strebt in der kommenden Saison 2016/2017 in der A-Kreisklasse 8 den Aufstieg in die Kreisliga an. „Und wir wollen ebenfalls aufsteigen“, sagte Meyer, der mit der Polonia-Reserve in der Kreisklasse B6 antritt. Neben dem Sprung in die A-Klasse, den Meyer unmissverständlich als „klares Ziel“ ausgab, gibt es noch einen zweiten Punkt, der Meyer sehr wichtig ist: „Wir wollen eine Gemeinschaft aufbauen, die nicht nur Erfolg, sondern auch Spaß hat.“ Der härteste Konkurrent im Kampf um die Spitzenplätze könnte Rasensport Uetersen sein. „Es gilt für uns und alle anderen Teams, abzuwarten, mit welchem Team Rasensport in unserer Staffel antritt“, so Meyer, der zudem mit gemischten Gefühlen den beiden Gastspielen bei Eintracht Fuhlsbüttel entgegenblickt. Bei der Mannschaft der Insassen der Justizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel könne man „nie wissen, ob sie mit einer Regionalliga- oder einer Freizeit-Truppe antritt“, so Meyer.
Vor exakt einem Jahr war Meyer beim VfL 93 Hamburg eingestiegen, bei dessen Liga-Mannschaft er ein Trainerteam mit Said Farhadi bildete (SportNord berichtete, siehe unten stehenden Link). „Farhadi und ich kennen uns schon sehr lange, haben einst selbst zusammen gekickt und auch als Trainerduo zunächst gut harmoniert“, so Meyer, der allerdings im Herbst 2015 feststellen musste, dass es nicht passt: „Im Laufe der Saison haben wir gemerkt, dass wir verschiedene Ansichten in Bezug darauf, wie wir miteinander arbeiten sollten, haben.“ Meyer stellte aber auch klar, dass er nach der Hinrunde der vergangenen Saison 2015/2016 keinesfalls im Bösen vom Borgweg geschieden sei. „Ich habe mich auch sehr darüber gefreut, dass die Jungs Meister in der Kreisklasse 7 geworden sind.“ Dass die Dritte Mannschaft des Stadtpark-Klubs ebenfalls den Sprung in die Kreisliga schaffte, zeige, dass „der Verein nicht nur ein wunderschönes Stadion, sondern auch ein gutes Konzept“ habe, so Meyer, der sich daraufhin im Frühjahr 2016 vornehmlich um seine Familie kümmerte.
Ganz ohne Fußball ging es aber auch in der Rückrunde der vergangenen Saison nicht: „Ich habe Spiele bei UH-Adler und beim USC Paloma verfolgt und es genossen, einfach ,nur' Zuschauer zu sein“, so Meyer, der zudem seiner Familie dankte: „Sie hat mir wieder neue Kraft gegeben.“ Meyers Frau fiel allerdings im Laufe des Frühjahrs auf, dass ihrem Mann etwas fehlt: „Sie hat mir gesagt, dass ich zu hippelig sei und mir wieder eine Trainer-Aufgabe suchen solle“, erinnert sich Meyer, für den die Rückkehr an die Finkenau aufgrund der eingangs erwähnten Gründe „der logische Schritt“ war: „Ich wollte in diesem familiären Verein gerne etwas Neues aufbauen.“ Schnell gelang es Meyer, einige frühere Weggefährten um sich zu scharen. „Ich habe jetzt einige Jungs beisammen, auf die ich mich verlassen kann“, so Meyer, der feststellen musste: „Heutzutage ist es leider so, dass viele junge Spieler lieber mit ihrer Freundin in den Beachclub gehen, anstatt sich zweimal pro Woche abends im Training zu quälen und sonntags auf dem Fußballplatz zu stehen.“
Aktuell während der Saisonvorbereitung bittet Meyer sein Team sogar dreimal pro Woche, nämlich dienstags, donnerstags und freitags, immer um 19.30 Uhr zum Training. Während der Saison soll dann immer dienstags sowie donnerstags trainiert werden ‒ zeitgleich mit der Liga-Mannschaft, so dass beiden Teams jeweils nur ein halber Platz zur Verfügung steht. „Die Jungs wollten es aber genau so“, betonte Meyer, der auch etwas Positives am gemeinsamen Termin fand: „Dadurch werden sich die Spieler beider Mannschaften noch besser kennen lernen.“ Ein enger Austausch ist nämlich ausdrücklich gewollt: „Ich denke, die Liga-Mannschaft wird sich freuen, dass sie jetzt wieder einen Unterbau hat ‒ wir wollen definitiv kooperieren und uns gegenseitig helfen“, so Meyer. Eine Jugend-Mannschaft hat Polonia zwar noch immer nicht, doch dass es nun nach vierjähriger Unterbrechung wieder ein Reserve-Team sowie zusätzlich eine neu gegründete Alt-Herren-Mannschaft gibt, ließ die Mitgliederzahlen des kleinen Klubs immerhin von 50 auf weit über hundert anwachsen.
Die bisherigen Testspiel-Ergebnisse von Polonia II sind sehr positiv: Mit dem SC Cosmos Wedel III kreuzte Meyers Team gleich zweimal die Klingen, wobei einem 6:2-Heimsieg ein 3:1 in der Elbstadt folgte. Der benachbarte USC Paloma IV wurde sogar mit 10:3 abgefertigt, ehe sich der B-Klassen-Neuling auch gegen den Hansa-Landesligisten Hamm United FC hervorragend aus der Affäre zog und nur mit 0:2 verlor (SportNord berichtete). Jüngst gab es am vergangenen Sonnabend, 2. Juli einen 5:0-Kantersieg beim TuS Berne II. „Diese Ergebnisse sind der guten Laune zuträglich“, so Meyer, der berichtete, dass im Umfeld zudem einiges für seine Schützlinge getan wird. So soll es möglichst nach jedem Punktspiel ein gemeinsames Essen geben. „Das planen wir“, versicherte Meyer, dessen Spieler zudem Handtücher und Duschutensilien vorfinden. „Und die Wäsche wird gewaschen“, so Meyer, der gerne langfristig an der Finkenau bleiben würde: „Der Fußball ist zwar sehr schnelllebig ‒ aber es soll möglichst nicht wieder nur ein halbes Jahr werden, sondern ich möchte gerne über mehrere Spielzeiten etwas aufbauen ...“
Dabei sucht Meyer noch Spieler, die Lust haben, ihn und Polonia II auf dem eingeschlagenen Weg zu begleiten: „Wir sind immer noch auf der Suche nach Spielern für alle Positionen“, so Meyer, der aber auch schon einige bekannte und höherklassig erfahrene Akteure in seinem Team weiß. Allen voran Maciej Melerski, der einst in seiner polnischen Heimat für Elana Torun in der Zweiten Liga spielte. „Das war eine interessante Zeit“, erinnert sich Melerski, der schätzte, dass ein polnischer Zweitligist in Deutschland „wohl im unteren Regionalliga-Bereich mitspielen“ könnte. Klar ist, dass Melerski auch in Hamburg deutlich höherklassig kicken könnte als „nur“ bei Polonia II. Auf die Frage, weshalb er sich die B-Klasse antue, entgegnete Melerski, der auf dem Platz die Sechser-Position bekleiden und zusätzlich die Rolle des spielenden Co-Trainers innehaben wird: „Ich möchte einfach Spaß am Fußball haben und Meyer helfen.“ Auch Leon Jacke sowie Ahmed Naim (einst beim FC Winterhude) bewiesen in den letzten Jahren schon, dass sie gut kicken können.
„Ich denke, wir haben eine richtig gute Mischung zusammen“, urteilte Meyer, der mit „großer Vorfreude“ den kommenden Aufgaben mit seiner „Multi-Kulti-Truppe“, wie er selbst seine Elf nannte, entgegenblickt. Dabei sei der Aufstieg zwar „kein Zwang“, so Meyer, der präzisierte: „Wir müssen nicht hoch, aber wir wollen aufsteigen ‒ denn ich möchte immer so gut wie möglich abschneiden und will immer nach oben.“ Außerdem möchte Meyer die Niederungen der B-Klasse unbedingt so schnell wie möglich sich lassen: „Wenigstens die A-Klasse zu erreichen, muss zumindest mittelfristig unser Anspruch sein“, so Meyer, der von der Spielklassen-Reform, die der Hamburger Fußball-Verband in diesem Sommer durchführte, indem er den Untere-Herren-Bereich komplett wegfallen ließ, „alles andere als begeistert“ war. „Ich möchte keinem unserer zukünftigen Gegner zu nahe treten ‒ aber dass ab sofort auch Sechste, Siebte und Achte Herren-Mannschaften im normalen Kreisklassen-Spielbetrieb antreten, ist meiner Meinung nach nicht überdacht.“