
Wie SportNord bereits berichtete, übernahm Ingo Brussolo beim Harburger TB in der vergangenen Woche das Traineramt von Oliver Balon (siehe unten verlinktes Interview mit HTB-Fußball-Abteilungsleiter Heinz Schwede). Am Sonntag erreichte Brussolo zu seinem Einstand ein 1:1-Unentschieden beim Mitaufsteiger SV Este 06/70. Simon Stehr brachte Spitzenreiter Este nach einem Freistoß in Führung (25.), HTB-Torjäger Dennis Grot glich nach einem Solo aus (75.).
Nun erklärt Brussolo im SportNord-Interview, wie es zu seinem Engagement auf der Jahnhöhe kam und dass er den HTB, der momentan in der Bezirksliga Süd Drittletzter ist, nicht nur zum Klassenerhalt führen will, sondern auf eine längere Zusammenarbeit hofft ...
SportNord: Wieso sind Sie nach Ihrem Ausscheiden in Altenwerder im Juni 2007 drei Jahre und vier Monate ohne Verein geblieben?
Ingo Brussolo: „Der ausschlaggebende Punkt dafür, dass ich in der Zwischenzeit kein Traineramt übernommen habe, war meine journalistische Tätigkeit für eine Fußball-Zeitschrift, für die ich vom Sommer 2008 bis zum Sommer 2010 von über hundert Live-Spielen berichtet und auch zahlreiche Partien abtelefoniert habe. Es hat mir viel Spaß gemacht, am Montag eine Zeitung kaufen zu können, in der ich vier bis sechs Seiten selbst geschrieben hatte ... Deshalb habe ich einige gute Angebote, die ich bereits im ersten Jahr nach meinem Rücktritt bei Altenwerder bekommen hatte, abgelehnt!“
SportNord: Was sprach nun dafür, das HTB-Angebot anzunehmen?
Brussolo: „Nachdem ich im Sommer 2010 aus meinem Urlaub zurückkam, hatte es bei der Zeitung eine Umstrukturierung gegeben und das neue Konzept gefiel mir nicht. In den letzten Wochen habe ich deshalb meine Zeit abends nach dem Joggen immer etwas gemütlicher auf der Couch verbracht. Mitte Oktober habe ich ein durchaus interessantes Gespräch mit einem Klub aus der Landesliga Hammonia geführt, hatte aber keine Lust, für jedes Training und fast alle Spiele durch den Elbtunnel fahren zu müssen. Und dann rief mich Klaus Buchholz, der Zweite Vorsitzender des HTB, an und sagte, er müsse mit mir reden ...“
SportNord: Wie wurde diese Kontaktaufnahme dann vertieft?
Brussolo: „Im September hatten wir uns bereits getroffen, als der HTB das hundertjährige Bestehen seiner Fußball-Abteilung feierte, und ich hatte nicht das Gefühl, dass bei den Harburgern die Position des Trainers vakant ist ... Herr Buchholz sagte dann aber zu mir, er hätte gehört, dass ich vereinslos wäre, und das wolle er nun ändern. So habe ich mich am vergangenen Montag mit Herrn Buchholz sowie dem Fußball-Abteilungsleiter Heinz Schwede zusammen gesetzt und wir haben über fünf Stunden geredet. Dabei war klar herauszuhören, dass die HTB-Verantwortlichen auf dem Trainer-Posten eine Änderung vornehmen wollen!“
SportNord: Dabei hatte Ihr Vorgänger Oliver Balon zuletzt immerhin den Durchmarsch aus der Kreisklasse in die Bezirksliga geschafft!
Brussolo: „Das ist richtig, und vollkommen unabhängig davon war mir diesbezüglich ein Fair-Play wichtig, zumal ich Herrn Balon bereits seit vielen Jahren kenne und nicht nur dem HTB, sondern auch ihm freundschaftlich verbunden bin. Deshalb habe ich die Herren Buchholz und Schwede gefragt, ob Balon über unser Dreier-Gespräch informiert sei, was sie bejahten. Das war für mich die Bedingung, um weiter zu verhandeln. Nach einer langen Diskussion bin ich schließlich nachhause gefahren und habe meiner Frau alles erzählt ...“
SportNord: Wie ging es dann weiter?
Brussolo: „Meine Frau hat mich eigentlich von der ersten Sekunde an bestärkt, dass ich das Traineramt beim HTB übernehmen soll: Sie war überzeugt davon, dass es mir gut tun würde, zumal ich den Verein und viele der dort tätigen Personen gut kenne. Als ich am nächsten Morgen aufgewacht bin, habe ich ein ganz besonderes Kribbeln gespürt ... Daraufhin habe ich dem Verein dann mitgeteilt: ‚Ja, ich mache es!‘ Ich habe Balon angerufen und mit meiner neuen Mannschaft am Mittwoch bei einer Kiste Bier das DFB-Pokal-Spiel des Hamburger SV bei Eintracht Frankfurt geguckt – leider war der Auftritt des HSV ja nicht gerade motivierend, sondern die 2:5-Pleite aus Hamburger Sicht doch arg frustrierend!“
SportNord: Wie verlief am Donnerstag Ihre erste Übungseinheit?
Brussolo: „Zunächst einmal habe ich mich am Donnerstag mit Oliver Balon getroffen und wir haben über eine Stunde geredet. Ich wollte von ihm alles wissen, was für Möglichkeiten die Mannschaft besitzt und wie die Spieler momentan drauf sind ... Ich weiß, dass solche Gespräche beispielsweise im Profi-Bereich alles andere als üblich sind. Aber mir war es wichtig, mit meinem Vorgänger zu reden, zumal ich mich andernfalls nach nur einem einzigen Training nicht dazu in der Lage gefühlt hätte, das Team vernünftig aufzustellen!“
SportNord: In Altenwerder waren Sie oftmals ein Einzelkämpfer. Wie ist das Umfeld der Liga-Mannschaft beim HTB aufgestellt?
Brussolo: „Mit Jens Bahnsen haben wir einen hervorragenden Fußball-Obmann und mit Heinz Schwede einen richtig guten Fußball-Abteilungsleiter. Am Freitagabend hatten wir uns noch einmal verabredet und haben lange miteinander geredet. Dennoch ist meine Tätigkeit beim HTB momentan sogar noch intensiver als früher bei Altenwerder, denn ich will meinen neuen Verein, von dem ich begeistert bin, jetzt auch nach innen und außen leben und bin aufgeregt wie ein kleines Kind. Gefühlt ist das Hammer-Spiel bei Este zwar mein tausendstes Spiel als Trainer gewesen, aber so ein Gefühl hatte ich schon lange nicht mehr ...“
SportNord: In Altenwerder waren Sie 20 Jahre lang tätig. Könnte es nun auch beim HTB eine ‚Ära Brussolo‘ geben?
Brussolo: „Ich gehe voller Schwung und Euphorie an die Aufgabe heran. Noch kann ich nicht sagen, ob ich zwei Jahre, fünf Jahre oder sogar noch länger beim HTB sein werde. Für mich ist es allerdings nicht denkbar, dem Verein nur bis zum Sommer zu helfen, den Klassenerhalt zu schaffen: Das hätte der HTB vielleicht auch mit seinem alten Trainer oder einem anderen Übungsleiter geschafft. Ich kann mir wirklich gut vorstellen, beim HTB längerfristig zu arbeiten – und mein Bauchgefühl sagt mir ebenso wie der Zuspruch, den ich in vielen E-Mails und SMS bekommen habe, dass es passt!“
SportNord: Mit Altenwerder haben Sie von 2002 bis 2005 in der Landesliga gespielt. Ist es ein realistisches Ziel, auch den HBT in diese Spielklasse zu führen?
Brussolo: „Nein, Gedanken an die Landesliga haben wir momentan gar nicht. Zudem habe ich den HTB-Verantwortlichen schon gesagt, dass ich der Meinung bin, dass wir in der Winterpause personell etwas tun müssen, was die Breite unseres Kaders betrifft. Alexander Sack war am Sonnabend beim HSV-Spiel beim 1. FC Köln dabei, Torjäger Dennis Grot konnte in den letzten fünf Wochen berufsbedingt kaum trainieren – deshalb kann man von diesem Kader keine Wunderdinge erwarten. Ich sage ganz klar: Im Winter muss auf zwei bis drei Positionen etwas gemacht werden!“
SportNord: Spartenleiter Schwede sagte aber zuletzt bei SportNord, dass der HTB auf die eigene Jugend setzt und auch wegen den negativen Erfahrungen aus der Vergangenheit keine teuren, externen Spieler verpflichten will ...
Brussolo: „Ich weiß, dass das von den Vereinsverantwortlichen so gesehen wird, und diese Philosophie finde ich ja auch gut. Und ich weiß auch, dass ich zwar auch ein alter HTB-er bin, aber es nicht nur die ‚Lobby Brussolo‘ gibt, sondern in diesem riesigen Verein auch Menschen sind, die an Balon, der natürlich ein richtiges HTB-Urgestein ist, hängen und sich nun fragen: ‚Verändert sich unser Weg, mit jungen Leuten zu arbeiten, jetzt?‘ ...“
SportNord: Dann gestatten Sie auch mir die Frage: Wird sich der HTB-Weg unter Ihrer Regie verändern?
Brussolo: „Meinen Kritikern kann ich entgegnen, dass ich in Altenwerder auch ein gutes Team ohne Geld aufgebaut habe. Natürlich waren wir am Ende gut aufgestellt und konnten den Spielern neben Ausrüstung auch Reisen anbieten – aber Geld ist nie geflossen, und so soll und wird es natürlich auch beim HTB bleiben! Und unser Fußball-Abteilungsleiter Schwede fliegt am Dienstag für eine Woche in die Türkei – ich hoffe, dass wir mit unserem Auftritt bei Este dafür sorgen konnten, dass er dort eine schöne Woche hat, nachdem er zuletzt kräftig unter Beschuss stand!“
Interview: Johannes Speckner